Im Andenken an Yannis Tsiomis
Haupttext
Die Griechenlandreise des Architekten und Theoretikers Gottfried Semper (1803-1879), mit der er 1831-1832 seine Studienreise durch Italien fortsetzte, ist bisher hauptsächlich mit Blick auf die Diskussionen zur antiken Polychromie untersucht worden, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gang gekommen war. Sempers Studie über Farbreste und -spuren an den Baudenkmälern Athens, seine berühmten farbigen Rekonstruktionsskizzen und besonders seine Abhandlung Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architectur und Plastik bei den Alten, in der er seine Forschungsergebnisse präsentierte (Semper, 1834), wurden seinerzeit Gegenstand intensiver Auseinandersetzungen und für Semper selbst zum wichtigen Meilenstein auf seinem Weg zu dem theoretischen Gebäude, das er später in seinem Opus Magnum Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten (1860-1863) entwickeln sollte.1Über Sempers Thesen zur antiken Polychromie, die Bedeutung seiner Forschung, insbesondere auch die diesbezügliche Auseinandersetzung mit dem Kunsthistoriker Franz Kugler (1808-1858) s. Laudell, 1991, 64-77/Gargiani 2002/Pisani 2003/Oechslin 2014 u. nd Nerdinger, 2014. Mit der Griechenlandreise des deutschen Architekten steht allerdings noch eine weitere, sehr viel später entstandene, vielfach unbekannt gebliebene Publikation in Zusammenhang. Dabei handelt es sich um den Reisebericht „Reise-Erinnerungen aus Griechenland“, der in der Kunst- und Literaturzeitschrift Frankfurter Museum von Februar bis Dezember 1858 in Fortsetzungen veröffentlicht wurde (Semper, 1858). Bei aller Rücksicht auf Konventionen und Klischees der Reiseliteratur schafft Sempers Text als spätes Zeugnis philhellenischer Literatur ein Griechenlandbild, das in vielen Aspekten vom Üblichen abweicht und u.a. den zahllosen Übernahmen westeuropäischer Vorbilder mit einer positiven Würdigung autochthoner Bauweisen und Stilressourcen kritisch entgegentritt. Die Lektüre seines Texts, die ich im vorliegenden Essay unternehme, bringt insbesondere eine unerforscht gebliebene Dimension der Griechenlanderfahrung Sempers, nämlich sein Interesse an der nachklassischen, insbesondere byzantinischen Architektur ans Licht. Ein beträchtlicher Teil dieses Reisetexts ist der Beschreibung, zeitlichen Einordnung und Typologisierung von Bauten aus byzantinischer, aber auch osmanischer Zeit gewidmet. Ausführlich geht Semper auch auf die zeitgenössische, traditionell geprägte Architektur ein, die er mit den ersten Beispielen westlich orientierter Architektur konfrontiert. Diese hatte sich in der Ära Kapodistrias im neuentstandenen Staat etabliert. Sein Eintreten für lokale traditionelle Architekturformen ist innerhalb dessen, was der Diskurs des 19. Jahrhunderts zur neugriechischen Architektur insgesamt artikuliert hat, etwas Einzigartiges.
Zwar fehlte es unter den Architekten und weiteren Reisenden, die Griechenland vor und nach der Staatsgründung besuchten, nicht gänzlich an Interesse für nachklassische, aktuell lebendige Architektur, doch im Vergleich zum Studium antiker Baukunst blieb dieses stets marginal und kam nur selten so unbedingt zum Ausdruck wie in Sempers Text. Nun fragt es sich, ob das Forschungsinteresse an byzantinischen Kirchen und den Hausbauten auf den Inseln, das im Text von 1858 zutage tritt, zeitgleich mit den intensiven Untersuchungen des jungen Semper an den antiken Tempeln Athens einherging oder ob es sich hier um eine spätere Ausrichtung handelte. Sollte die erste Annahme zutreffen, könnten die „Reise-Erinnerungen“ neues Licht auf den Entwicklungsweg des Architekten werfen und das Bild, das wir von seinem Beitrag zur historischen Kanonisierung des klassischen Modells haben, wesentlich erweitern. Die chronologische Eingliederung des Texts erweist sich indessen als unsicher, vielleicht sogar als unmöglich. Detailliert betrachtet, verschränken sich die „Reise-Erinnerungen aus Griechenland“ zu einem außergewöhnlich flüchtigen, chronologisch vielschichtigen Untersuchungsgegenstand, der einer geschichtlichen Darstellung, die um einheitlichen Zeitablauf, lineare Wahrnehmung des historischen Geschehens und Regelmäßigkeit der chronologischen Zusammenhänge bemüht ist, an ihre Grenzen führt.2Zu dieser Problematik insbesondere auf kunstgeschichtlicher Ebene s. Karlholm/Moxey, 218. Der beträchtliche zeitliche Abstand zwischen der Reise 1831-1832 und der Veröffentlichung des Textes bringt auch zentrale Spannungen in der Reisekultur zum Vorschein, wie etwa die Rolle und die Aufzeichnung der Erinnerung oder das Verhältnis zwischen realistischer Darstellung und literarischer Rekonstruktion. Der 1858 veröffentlichte Griechenlandreisebericht umfasst einen weiten Zeithorizont und richtet sich immer wieder neu aus, sowohl was seinen kontextuellen Dialog mit dem Korpus damaliger Reiseliteratur als auch die Bezüge zu Sempers eigener theoretischen Produktion mitsamt der Entwicklung seiner architektonischen Interessen betrifft – ganz abgesehen einmal von den unerwarteten Wendungen seines späteren Lebenswegs als Folge seiner Teilnahme an der revolutionären Erhebung in Dresden von 1849. Der Text fordert zu einem ständigen Wechsel der Analysemaßstäbe insofern auf, als hier der Begriff der Verflechtung nicht einfach an der üblichen Achse der Begegnung verschiedener Kulturen, sondern auch an einer „transhistorischen“, verschiedene Momente aus der Biographie des Autors miteinander verschmelzenden Achse festgemacht ist.
Aporien retrospektiven Erzählens
Sempers Reisetext, der schon per se einen besonderen Platz in seinem Œuvre einnimmt, ist noch nicht Gegenstand kritischer Lektüre geworden,3Vgl. den entsprechenden, kurzgefassten Rückverweis Henrik Karges in seiner Einführung zu den Gesammelten Schriften (Semper, 2014, 18).weil er – sogar was sein elementarstes, sachlich-inhaltliches Profil angeht – über lange Zeit hin unbekannt geblieben ist. Nur zwei der insgesamt sieben Teile umfassenden Veröffentlichung im Frankfurter Museum fanden Aufnahme in Sempers 1884 von seinen Söhnen herausgegebenen Kleinen Schriften und damit in den Kanon des Semper-Schrifttums.4Semper, 1884, 429-442. In einer Anmerkung der Herausgeber auf S. 429 wird die Veröffentlichung des Texts im Frankfurter Museum erwähnt, allerdings ohne genauere Angaben zu Quelle und Datum der Publikation. 2017 veröffentlichte Isabelle Kalinowski in einem Themenheft der Revue Germanique Internationale eine Übersetzung der ersten beiden Teile der „Erinnerungen“ ins Französische (Semper, 2017). Die restlichen fünf Teile des Ganzen blieben zumindest bis zu deren erster vollständiger bibliographischer Erfassung im Katalog zur großen Ausstellung anlässlich des 200. Geburtstags des Architekten im Jahre 2003 unbeachtet (Moeller, 2003, 109).
Maßgebliche Wissenschaftler (wie der exzellente Kenner, Biograph und Erforscher des architektonischen und theoretischen Schaffens Sempers Harry Mallgrave) datieren die „Reise-Erinnerungen“ auf 1833, wobei sie sich chronologisch auf deren undatierte Wiederveröffentlichung in den Kleinen Schriften stützen (Mallgrave in: Semper, 2010, 12). Wenngleich damit im Irrtum, erweckt diese zeitliche Einordnung den Eindruck von Wahrscheinlichkeit. Das ist insofern interessant, als sie genau die Art von Aporie aufzeigt, die die Annäherung an diesen Text kennzeichnet. Was mochte Semper 25 Jahre nach der Reise zu dem Entschluss veranlasst haben, über seine Griechenlanderfahrung zu schreiben?5Semper ist sicherlich kein Einzelfall darin, ein Reiseerlebnis zu einem ganz anderen Zeitpunkt textlich aufzuarbeiten. Ein extremes Beispiel dafür ist der Architekt Charles Robert Cockerell, der die Ergebnisse seiner Ausgrabungen des Aphaiatempels in Ägina und des Apollontempels in Bassai nicht weniger als 50 Jahre nach ihrem Abschluss publiziert hat (Cockerell, 1860). Verglichen mit der rein wissenschaftlichen Ansprüchen verpflichteten Publikation seines englischen Kollegen verfolgt Sempers Reisetext allerdings ganz andere Absichten. Was ist von dieser Erfahrung übriggeblieben, wie lässt sie der Verfasser wiedererstehen bzw. wie vervollständigt er sie? 1831 war Semper, abgesehen von Carl Haller von Hallerstein als wichtigstem Vorläufer, einer der ersten Architekten aus dem deutschsprachigen Raum, der Griechenland schon vor der diplomatischen Beilegung der zehn Jahre dauernden kriegerischen Zusammenstöße mit dem Osmanischen Reich und von König Ottos Ankunft bereiste. Als er 1858 schließlich seinen Reisebericht über Griechenland veröffentlichte, waren dem eine Fülle oftmals reichillustrierter Reisebücher von Architekten, Künstlern, Archäologen und Gelehrten vorangegangen, die das Land in den Jahren der Herrschaft König Ottos aufgesucht hatten.6Ich hebe hier die Reise des Architekten Leo von Klenze hervor, der ein voluminöses Opus über sein Griechenlanderlebnis hinterlassen hat (Aphoristische Bemerkungen gesammelt auf seiner Reise nach Griechenland,1838), ferner die Dienstjahre des Archäologen Ludwig Ross in Griechenland, der als erster Professor für Archäologie an der König-Otto-Universität und leitender Mitarbeiter des neugegründeten Archäologischen Dienstes zwischen 1840 und 1852 seine vierbändigen Reisen auf den griechischen Inseln des Ägäischen Meeres veröffentlichte, und schließlich den Griechenlandaufenthalt von Karl Ottfried Müller und Ernst Curtius gegen Ende der 1840er Jahre. Letzterer ist Autor eines denkwürdigen zweibändigen Werks über die Peloponnes (Peloponnesos: eine historisch-geographische Beschreibung der Halbinsel, 1851-1852), der auch Sempers Text hauptsächlich gewidmet ist.
Die Facetten seines Griechenlanderlebnisses, die der Text von 1858 wiedergibt, unterscheiden sich sehr von dem, was die während der Reise selbst bzw. direkt danach entstandenen Briefe und Zeichnungen vermitteln. Sempers Griechenlandbild von 1831 stimmt nicht mit dem von 1858 überein. Aber auch der Mensch, der sich 1858 einer weit zurückliegenden Reise erneut zuwendet, die 1831-1832 stattgefunden hat, ist nicht mehr der frischgebackene junge Architekt, der sich nach seiner Pariser Lehrzeit bei Franz Christian Gau und seinem Aufenthalt in Italien als Abschluss seiner Studienreise Griechenland erwählt hatte. Denn jetzt handelt es sich um den wegen seiner Teilnahme an den Dresdener Maiaufständen von 1849 für immer aus seiner Heimat verbannten Gottfried Semper, der nach der wohl wichtigsten Zäsur in seinem Leben nun frisch ernannter Professor der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich geworden ist. Er hatte gerade als Architekt den Wiederaufbau des Gebäudes des neugegründeten Schweizerischen Polytechnikums übernommen und arbeitete parallel dazu am Manuskript von Der Stil. 1858 konnte Semper bereits auf eine fünfzehnjährige Lehrtätigkeit im Fach Architektur an der Königlichen Kunstakademie Dresden und auf die Errichtung so bedeutender Bauten der Stadt wie Oper, Museum und Synagoge verweisen. Dazu kamen in seiner Londoner Exilzeit die vielseitige Teilnahme an der Organisation der Großen Weltausstellung von 1851 und an der Herausbildung neuer Kunstinstitutionen, die aus den Ausstellungserfahrungen schöpften.7Den zuverlässigsten Zugang zum Lebensweg des Architekten bietet nach wie vor Harry Mallgrave (s. Mallgrave, 1996).
In den „Reise-Erinnerungen“ aus Griechenland wird von Semper der große Zeitabstand zwischen den Erlebnissen und Eindrücken der Reise und ihrer erzählerischen Wiedergabe fast vollständig verschwiegen. Dass dies Reiseerlebnis zu einer ganz anderen Zeit erfolgte, verrät nur eine Fußnote zu den Beschreibungen der zerstörten Stätten, die Ibrahim Pascha auf seinem Peloponnes-Feldzug von 1825 mit seiner Taktik der „Verbrannten Erde“ hinter sich gelassen hatte: „Der Verfasser machte seine Reise zu einer Zeit, als noch die Spuren des griechischen Kampfes zu sehen waren“.8Semper, 1858, 988. Gewiss, er hat diese Reise zu einem naheliegenden, bezogen auf den Krieg stets unklaren, Zeitpunkt unternommen. Doch wann schreibt er darüber? Fußen die „Erinnerungen“ auf Notizen, die Semper im Lauf der Reise machte und die er später neu bearbeitete? Oder wird hier aus großem zeitlichem Abstand alles dem Gedächtnis nach zu Papier gebracht? Das Material im Zürcher Semper-Archiv enthält keine Einzelheiten zu den Veröffentlichungsumständen der „Reise-Erinnerungen“. Es liegen weder handschriftliche Varianten, Entwürfe oder Notizen zum Text, noch eine diesbezügliche Korrespondenz mit den Herausgebern des Frankfurter Museums vor.9Der vollständige Titel der Zeitschrift lautet Süddeutsche Wochenschrift für Kunst, Literatur und öffentliches Leben. Sie wurde 1855 von dem eher konservativen politischen Überzeugungen zuneigenden Schriftsteller Otto Müller (1816-1894) gegründet, stand aber seit 1857 bis zu ihrer Einstellung 1859 unter der Leitung des liberalen Dichters und Goethekenners Theodor Creizenach (1818-1877). S. dazu Estermann, 1988, 227-230 und Brümmer, 1906. Sempers Reisebericht enthält eine Erwähnung Goethes („der große Seher“). Anlässlich seines Sparta-Besuchs evoziert der Architekt die Hochzeit von Faust und Helena aus dem 2. Teil des Faust, der 1832 veröffentlicht wurde, während Semper sich noch in Griechenland aufhielt. Das spricht für eine spätere Entstehungszeit des Texts.
Aber sowohl die Zeugnisse, die in zeitlicher Verbindung mit seiner Griechenlandreise stehen, darunter vor allem die erhalten gebliebenen Briefe, die er von Nafplio und Athen an seinen Bruder in Altona, als auch die anderen, die er während seiner Rückkehr nach Italien weiteren Familienmitgliedern schrieb, lassen kein Interesse oder die Absicht erkennen, im Anschluss an seinen Besuch im Land einen Reisebericht zu veröffentlichen. Seine vordringliche Sorge galt vielmehr den Rekonstruktionsplänen für die Akropolisdenkmäler und seiner Abhandlung über die Polychromie, die er im Laufe seiner Rückkehr nach Rom fieberhaft vorbereitete (Mallgrave, 1996, 48-51). Im Archiv haben sich schließlich auch keine Tagebucheinträge von der Reise erhalten, die den „Reise-Erinnerungen“ hätten zugrunde liegen können. Im Gegenteil: gegenüber seinem Bruder erwähnt er reuevoll, während seiner vieltägigen Peloponnesreise kein Tagebuch geführt zu haben, und der besondere, ausführliche Brief, den er ihm zu diesem Thema verspricht, scheint nie geschrieben worden zu sein.10Brief Gottfried Semper an seinen Bruder [Johann Carl Semper], Nafplio. 9.10.1831, gta Archiv / NSL-Archiv, ETH Zürich, 20-K-1831-10-09(S).
Die „Reise-Erinnerungen aus Griechenland“ gehören zu einem Textkorpus, das Semper in seinen Exiljahren von Paris, London und Zürich aus teils in Fach-, teils in anderen Zeitschriften publiziert hat.11Ich führe dazu einiges an Titeln an: „Die Kunst unter der französischen Republik“, „Reise nach Belgien im Monat October 1849“, „Der Wintergarten zu Paris. Erbaut von dem Architekten Charpentier“, „Farbiges Erdpech“ und „Die neuesten pariser Bauten“. Diese Texte finden sich insgesamt veröffentlicht in: Semper, 2014. Die beiden letzten autonomen selbstständigen Veröffentlichungen Sempers vor den „Reise-Erinnerungen“ waren die Essays Die vier Elemente der Baukunst (Braunschweig, 1851) und Wissenschaft, Industrie und Kunst (Braunschweig, 1852).
Diese Teilhabe als Exilierter an der Sphäre deutscher Öffentlichkeit gestattete es Semper, seinen Namen bekannt, und seine Kontakte mit geistigen und akademischen Kreisen aufrecht zu erhalten und damit den Boden für seine zukünftigen Veröffentlichungen zu bereiten.12S. Kalinowski/Thibault, 2018, insbesondere S. 14. Der Reisetext von 1858 unterscheidet sich dabei insofern beträchtlich von den vorangegangenen Veröffentlichungen dieser Art, als diese ausnahmslos frisch gewonnene Erfahrungen und Eindrücke wiedergegeben hatten,13Selbst dann, wenn Semper in Beschreibungen historischer Denkmäler schwelgt, wie der Bischof von Amiens im oben angeführten Text von 1849 über die Belgienreise. bei denen Semper für das deutsche Publikum als Berichterstatter über Aktuelles in Architektur, Kunst und – indirekt, aber durchaus umfassend – auch Politik jener Länder agierte, in denen er sich jeweils aufhielt. Demgegenüber kennzeichnet seinen Griechenland-Reisebericht der vollständige Mangel an Wahrnehmung aktueller Vorgänge. Sempers erste Zürcher Publikation waren seine „Briefe aus der Schweiz. Die neben den Propyläen aufgefundenen Inschrifttafeln, I-VII“. Den „Reise-Erinnerungen“ unmittelbar vorausgehend, erschienen sie 1855 in der Zeitschrift Deutsches Kunstblatt, dem größten wissenschaftlichen Organ für Archäologie und Kunstgeschichte im deutschsprachigen Raum. Dabei handelte es sich um eine umfassend gründliche archäologische Studie,14Typisch für die Ausrichtung dieser Exiltexte ist, dass Semper in seiner eigentlich rein archäologischem Interesse nachgehenden Studie keine Gelegenheit vorübergehen lässt, ohne zum aktuellem architektonischem Geschehen in seiner Heimat Stellung zu nehmen beziehen – natürlich besonders hinsichtlich des Fortgangs der Arbeiten an der von ihm entworfenen Gemäldegalerie in Dresden (Semper, 2014, Bd. 1, 19). in der Semper den kurz zuvor veröffentlichten Band L’Acropole d’Athènes (1853) von Charles Ernest Beulé zum Anlass nahm, sich bei der Beurteilung einer Reihe von 1836 in der Nähe des Erechtheions aufgefundenen Inschriften gegen die Stellungsnahmen aller etablierten Gelehrten zu positionieren. In diesem Text schöpft Semper für seine Argumentation aus seiner eigenen Forschungsarbeit auf der Athener Akropolis, und womöglich war es diese am Rande vorgebrachte Berufung auf seine Reise von 1831-1832, die in ihm über das rein Archäologische hinaus den Wunsch nach einer lockeren Beschäftigung mit seinem Griechenlandaufenthalt in jungen Jahren entstehen oder neu aufleben ließ.
Eine Vielzahl textinterner Hinweise in den „Reise-Erinnerungen“, auf die ich im weiteren Verlauf meiner Analyse an verschiedenen Stellen aufmerksam machen werde, sprechen teils für eine frühe, teils für eine spätere chronologische Einordnung des Texts. Am nächstliegenden erscheint es, eine Art „Patchwork“ aus zu verschiedenen Zeitpunkten entstandenen Niederschriften und Ergänzungen anzunehmen, die für die Veröffentlichung sicherlich einer Endredaktion unterzogen wurden, bei der sich Semper aber nicht allzu viele Sorgen über den Zusammenhalt des Ganzen bzw. die nebeneinanderher existierenden Zeitebenen im Text machte. So erweckt beispielsweise die Ode an den Parthenon im Proömium der „Reise-Erinnerungen“ eher den Eindruck, von dem frischgebackenen Architekten als dem vielerfahrenen Berichterstatter aus Zürich zu stammen. In der Tat beginnt der Text mit einer triumphalen Apotheose des Parthenons als Vorbild klassischer Baukunst schlechthin und als eigentliches Endziel der Studien-Wanderreise von Italien nach Griechenland. Semper begreift diesen geografischen Ortswechsel als einen Weg, der dem der Geschichte bzw. der Kunstgeschichte entgegengesetzt ist, d.h. als einen Weg von den Orten, an denen die griechische Kunst ihre Strahlkraft entfaltete und sich über die Jahrhunderte ausbreitete (Italien), zurück zum Ursprung (Griechenland), wobei die Reise durch den Raum gleichzeitig auch eine Reise durch die Zeit bedeutet. (Semper, 1858, 153-154). Als Endpunkt einer voranschreitend reflektierenden Suche nach dem „Schönen“ stellt die Begegnung mit dem Parthenon für den zeitgenössischen Künstler den Gipfelpunkt des Verständnisses und der verinnerlichenden Rezeption griechischer Kunst dar.15Semper, 1858, 153-154: „…aber vor dem Parthenon stehend wird er dennoch bekennen: Alles, was ich vorher gesehen habe, will ich gerne vergessen, nur hier ist griechische Kunst in ihrer Reinheit und Vollendung zu schauen“ [dt. Original].
Im Gegensatz dazu löst der etwas abrupt endende Text – von dem sich deshalb nicht ausschließen lässt, dass Fortsetzungen geplant waren – deutliche Assoziationen an spätere Erfahrungen politischen Engagements und an die Widrigkeiten des Exils aus. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Text zwar auf glanzvolle Weise den Parthenon in Aussicht stellt, Semper aber dann den Leser nie auf die Höhen der Akropolis geführt hat. Die „Reise-Erinnerungen aus Griechenland“ berichten nur von einem ersten Teil der Reise, die Semper zusammen mit seinem französischen Freund und Kollegen Jules Goury (1803-1834) gemacht hatte. Der Faden der Erzählung, der Ende August 1831 am Hafen von Catania seinen Ausgang nimmt, reißt unvermittelt ab: irgendwo auf den Höhen Messeniens lässt Semper den Leser mit Blick auf die Ebene von Elis im Stich (Semper, 1858, 1092). Der Text schließt mit der Beschreibung einer ganz eigenen persönlichen Erfahrung von Natur und Landschaft, die einen wie ein Gang durch einen irdischen Garten Eden in eine absolute Einsamkeit frei von aller menschlichen Gegenwart versetzt oder eher noch ein vollständiges Hingegebensein an die uranfängliche Unschuld aller Natur vermittelt:
Alles Wald und Busch, keine Wohnung, kein Dach; in der Ferne das Meer, und als ein leiser Anflug am äußersten Horizont die jonische Inselkette. Den ganzen Tag über glaubten wir in einem verlassenen Eden zu wandeln, aus dem so eben der strafende Bote die Menschen verjagt hatte. Der Waldgesang der Vögel allein brach das feierliche Schweigen; kein Hüttenrauch hob sich über die Gipfel der Bäume, nicht einmal Heerden [sic] sahen wir, allein ihre frühere Gegenwart that sich kund […] die Bäume hatten meistens etwas Jugendliches, Zartes, wie etwa in einer neuen Parkanlage: sie schienen seit nicht langer Zeit von dem von Menschen verlassenen Boden Besitz genommen zu haben. […] Es liegt ein eigener Reiz in dem Gefühle, in einem fernen Lande, weit von Allem, was einst uns so viel Freuden und Leiden verursachte, allein umherzuirren. Man fühlt einmal wieder die Unbefangenheit der Kindheit; Alles, was Sorgen erregt, ist so fern. Die gütige Erde, der rauschende Bach, in dem ich mich badend von dem Schmutz menschlicher Hütten reinige, die frischen Bäume und Gräser und Blumen sind meine einzigen lieben Freunde! Sie haben mich nie betrübt, sie reizen mich nicht zu Vergehungen und Ungerechtigkeiten, sie bleiben sanft und gütig wenn ich tobe, sie plaudern nicht wenn ich mich ihnen vertraue; sie haben keine Zungen um zu verleumden und keine Hände zum Verrath.16Semper, 1858, 1092-1093.
Das Bild des Eremiten, der hier neue Kraft schöpft, verweist auf Hölderlins Hyperion, der sich als Exilant und enttäuschter Revolutionär ebenfalls in die Einsamkeit und ein vollständiges Aufgehen in der Natur flüchtet.17Zur Bedeutung von Friedrich Hölderlins Hyperion oder Der Eremit in Griechenland (1797-1799) für die damalige Griechenlandrezeption sowie zum historisch-politischen Rahmen der Handlung s. Gaskill, 1991 sowie Constantine, 2011, 168-187.
Dieses abschließende, fast bekenntnishafte Zitat steht allem Anschein nach unter der Last der persönlichen Geschichte Sempers und seiner politischen Verbannung. Die Reise von 1831 wird zum Behältnis der 1849 einsetzenden Exilerfahrung.
Eingezwängt zwischen Bürgerkriegskonfrontation und Geheimdiplomatie: Semper und Thiersch
Es ist an dieser Stelle angebracht, einiges an Sachverhalten einzufügen, die mit Sempers Griechenlandaufenthalt von September 1831 bis Mai 1832 in Zusammenhang stehen.18Zu Sempers Griechenlandreise s. Ettlinger, 1937, 46-48/Mallgrave 1996, 42-53/Möller, 2003/Georgiadis 2005, 92-100. Wir wissen von ihr hauptsächlich aus den vier unveröffentlichten, im Archiv der Eidgenössischen Technischen Schule (ETH) in Zürich befindlichen Briefen, die Semper von Nafplio und Athen aus seinem Bruder Johann Carl in Altona schickte, ebenso aber auch aus einem Curriculum, das Semper 1834 anlässlich seiner Wahl zum Professor an der Akademie Dresden eingereicht hatte (s. Ettlinger, 1937, 46). Im Zürcher Archiv hat sich darüber hinaus eine Vielzahl an Zeichnungen und architektonischen Aufrissen erhalten, die im Laufe der Reise entstanden sind. Ende August 1831 von Catania/Sizilien her angereist, durchquerten die beiden jungen, damals 28jährigen Architekten Gottfried Semper und Jules Goury ohne besondere Vorbereitung die Peloponnes. Als Führer dienten ihnen Pausanias und das Itinerary of the Morea (1817) des Briten William Gell (1777-1836). Dabei besuchten sie der Reihe nach Messene, Mistras und Sparta, Megalopolis, Figalia, Bassai, Olympia, Orchomenos, Nemea, Argos und Mykene. Im Wesentlichen folgten sie der in vielen Teilen noch nie abgeschrittenen Route, die die wissenschaftliche Morea-Mission der Franzosen ein Jahr zuvor absolviert hatte.19Nach seiner Rückkehr nach Rom denkt Semper sogar daran, mit dem Leiter der für die Schönen Künste zuständigen Sektion dieser Mission Guillaume-Abel Blouet (1795-1853) zusammenzuarbeiten, dem er für die in Aussicht stehenden Veröffentlichungen seine farbigen Rekonstruktionen der Akropolis-Denkmäler zur Verfügung stellte (s. Mallgrave, 1996,50). Anfang Oktober erreichten die beiden Reisenden Nafplio – wenige Tage vor dem Attentat auf Ioannis Kapodistrias, für das Semper in seiner Korrespondenz vielsagend Zeugnis ablegt. Mir scheint es hier von Belang, eine ausführliche Passage aus dem Brief vom 9. Oktober 1831 an seinen Bruder zu zitieren:
Der Präsident von Griechenland ist heute Morgen ermordet. Beim Eintritt in die Kirche ward er heute früh zugleich vom Messer und vom Bleie seiner beiden Mörder erreicht. Sie sind Brüder des Petro Bey von Maina, der mit mehreren Gliedern seines Hauses seit langer Zeit von Capo d’lstrias als Staatsgefangener festgehalten wird. Mein sonderbares Geschick verfolgt mich überall. Auch hier wurde ich von den Schüssen aufgeweckt, die ihn niederstreckten20Das vorherige Attentat, auf das hier angespielt wird, ist das vom April 1830 in Paris: Kurz vor seiner Abreise nach Italien hatte Semper die Ereignisse der Julirevolution und den Sturz Karls des X. miterlebt. S. Georgiadis, 2003, 97-98. und seine Mörder sah ich unter meinem Fenster sterben. Jetzt herrscht Todesstille und jedes Gemüth sieht mit Angst der Zukunft entgegen. Die Zahl der Unzufriedenen ist gross, allein die Militairmacht hält sie im Zaume. […] Der politische Zustand Griechenlands ist in der furchtbarsten Verwirrung. Schwer, ja mir unmöglich, wäre es ein treues Bild davon zu geben. Das Chaos der Leidenschaften, die sich kreuzen und widersprechen, die geheimen Minen der Ιntriguen sind unentwirrbar und undurchschaulich. […] So fiel der Präsident als Opfer der Privatrache. […] Auch mag Vaterlandsliebe die Hand des Mörders geleitet haben; denn hört man die vielen gerechten Klagen gegen die Eingriffe des Pr[äsidenten] in die öffentliche u[nd] Privatfreiheit der Griechen, sieht man wie Ungerechtigkeit und Willkür die Stelle des Gesetzes vertrat, sah man allenthalben unfähige Günstlinge vorgeschoben, merkte man den unmittelbaren Einfluss der Russischen Politik, die ihren feinsten Staatsmann als Agenten geschickt hatte, die Griechen zu leiten, so kann man wohl behaupten, dass durch diese That Griechenland ein grosser Dienst geleistet sey. Die provisorische Regierung, die der Senat ernannte, ist ziemlich weise zusammengesetzt. Colocotroni ist nicht geliebt aber gefürchtet; seines starken Anhangs wegen war seine Wahl nothwendig. [Avgoustinos] Capo d’lstrias steht da als Beweis der Dankbarkeit, die man für die Verdienste seines Bruders hegt, Koletti ist der eigentliche Kern des Ganzen und worauf man hofft. Er bildete die Opposition gegen den Regenten und wird als der eigentliche Leiter der Hydriotischen Insurrektion betrachtet. Seine Festigkeit, Unbestechlichkeit und Gerechtigkeit ist bekannt. Er vereinigt mit den Eigenschaften eines Herrschers Liebe zur Freiheit und Achtung für die Rechte des Volkes. Vor allem fürchtet man den Einfluss der Fremden. Dies ist der einzige Punkt, wo sich alle Griechen vereinigen.21Brief Gottfried Semper an seinen Bruder [Johann Carl Semper], Nafplio, 9.10.1831, gta Archiv/NSL-Archiv, ETH Zürich, 20-K-1831-10-09(S), 1-2. Vgl. Mallgrave, 1996, 43/Georgiadis, 2005, 96-98. Nach meinem Kenntnisstand ist Georgiadis der erste, der längere Abschnitte aus diesem Brief zitiert und ins Griechische übersetzt.
Der Brief vom 11. April 1832 aus Nafplio beschreibt mit noch höherer Kontingenz die politischen Entwicklungen, die nun folgten: den militärischen Zusammenstoß, zu dem es um Haaresbreite zwischen Avgoustinos Kapodistrias und Coletti gekommen wäre, den endgültigen Rücktritt und die Vertreibung des Ersteren, aber auch die Entwicklungen auf diplomatischer Ebene mit der Bestimmung Ottos [von Wittelsbach] zum Throninhaber Griechenlands.22Brief Gottfried Semper an seinen Bruder [Johann Carl Semper], Nafplio, 11.04.1832, gta Archiv / NSL-Archiv, ETH Zürich, 20-K-1832-04-11(S). Mehr noch: Semper erwähnt, dass er dabei ist, für seinen Pariser Lehrer Gau einen besonderen Essay über den Freiheitskampf der Griechen von seinen Anfängen an bis zu Kapodistrias’s Ermordung abzufassen, der aber im Verlauf seines Unternehmens verlorengegangen zu sein scheint (Mallgrave, 1997, 52). Insgesamt sind seine Berichte von den liberalen Überzeugungen geprägt, die ihn später dazu bringen sollten, sich bei der Dresdner Erhebung im Mai 1849 aktiv zu engagieren.
Beeindruckend sind dabei das Geschick, mit dem Semper die politische Situation und jeweilige Ausrichtung der einander entgegenstehenden Gruppierungen analysiert, ebenso seine scharfsichtig skizzierenden Porträts der politischen Anführer und das Ausmaß seiner Informiertheit. Der hohe Wissensstand ist Folge seines engen Kontakts mit einer Schlüsselfigur der damaligen Zeit, dem bayerischen Neuhumanisten und Philhellenen Friedrich Thiersch (1784-1860), einem der profundesten Kenner der griechischen Verhältnisse jener Zeit. Im Rahmen einer archäologischen Studienreise gleich derjenigen Sempers entfaltete Thiersch als inoffizieller Gesandter Ludwigs I. im Laufe der bürgerkriegsähnlichen Zusammenstöße, die durch Kapodistrias‘ Ermordung ausgelöst worden waren, eine intensive Vermittlertätigkeit zwischen Avgoustinos Kapodistrias und den Oppositionskräften um Ioannis Kolletti, wobei er zugleich die Kandidatur Ottos für die Besetzung des griechischen Königsthrons vorantrieb.23Über Thiersch und seine Aktivitäten in diesem Zusammenhang s. vor allem Scholler/Vergi-Tzivakos, 1986 sowie Thiersch, 1991/Kirchner, 1996/Turczynski, 1993 und Mitsou, 2009. Aus ihren Briefen aus Griechenland wissen wir, dass Thiersch und Semper von Nafplio aus aufbrachen, um das Asklepieion in Epidaurus, Ägina samt seinen Altertümern, insbesondere den dortigen Aphaia-Tempel, und, in Piräus wieder an Land, Athen zu besuchen.24Semper und Thiersch erreichten Griechenland zur gleichen Zeit im September 1831 über die Ionischen Inseln, begegneten einander insofern aber erst später, als Semper und Jules Goury die Peloponnes durchquerten, während Thiersch von Korfu aus auf dem Seeweg direkt nach Hydra und von dort nach Nafplio reiste (vgl. dazu auch Mallgrave, 1996, 43-46). In Thierschs aus dieser Zeit erhaltenen Schriftstücken, besonders in den Briefen an seine Frau, wird Semper hauptsächlich als Mitreisender und Miterforscher der antiken Denkmäler erwähnt (dazu s. Thiersch, 1866, Bd. II, 106-107 und hinsichtlich der Besuche auf Ägina S. 120-121). In einer späteren Untersuchung über das Erechtheion beschreibt Thiersch Semper als Emissär des dänischen Königs und stellt dies gegenüber den osmanischen Behörden in einer Anmerkung zu ihren Berichten zugunsten der Erforschung und Bewahrung der griechischen Altertümer bewusst überakzentuierend in den Vordergrund (s. Thiersch, 1852, 86 sowie Oechslin, 2003,100). Semper weilte etwa drei Monate lang in der Stadt und schloss sich dabei weiteren, ebenfalls von auswärts angereisten Architekten an, unter ihnen sein alter Münchner Studienkollege Eduard Metzger, der Thiersch begleitet hatte, sowie Stamatis Kleanthis, Eduard Schaubert und G. Lüders.25Haugsted, 1996, 79. Zur selben Zeit hielt sich in Athen auch der britische Architekt James Pennethorne auf. Zu Sempers Würdigung der so produktiven Mitwirkung von Kleanthis und Schaubert am Aufschwung der Architektur im neugegründeten griechischen Königreich, s. Semper, 1858, 1005). Parallel zu seiner archäologischen Forschung arbeitete er als Thierschs Privatsekretär („Geheimschreiber“) und verfolgte aus direkter Nähe dessen inoffizielle diplomatische Tätigkeit, etwas, was ihn nebenher mit den nötigen Beglaubigungspapieren und entsprechender Bewegungssicherheit in dem noch friedlosen Land ausstattete. Es ist Semper, dem Thiersch seine Exposés an König Ludwig über die politischen Entwicklungen diktiert.26Brief Gottfried Sempers an seinen Bruder [Johann Carl Semper], Nafplio, 11.04.1832, 4. Vgl. Mallgrave, 1996, 45. Diese Nachrichten gibt Semper in den Briefen an seinen Bruder, aber auch an seinen Professor in Paris voller Enthusiasmus weiter. Seine Briefe aus Athen und Nafplio strotzen geradezu von ausführlichen Analysen, während er auf seine Erforschung der Baudenkmäler spürbar weniger eingeht. Politik und archäologische Forschung – politischer und philologisch-archäologischer Philhellenismus, um hier auf die Formel von Michel Espagne zurückzugreifen (Espagne, 2005) – sind bei Thiersch untrennbar miteinander verbunden, ein Umstand, der indirekt auch Semper berührt, der unerwartet eine der turbulentesten Phasen der Entstehung des neugriechischen Staats miterlebt. Doch nichts von all dem gesellschaftlichen und politischen Aufruhr, der den Architekten umgibt und den er in seinen Briefen mit der Verve eines politischen Korrespondenten beschreibt, findet sich, von einer kurzen Erinnerung daran abgesehen, im Text von 1858 wieder.27Anlässlich seiner Durchreise durch Kalamata notiert Semper, dass die Stadt das Zentrum der gegen Kapodistrias gerichteten Unternehmungen war, und skizziert flüchtig die Gründe für diese Konfrontation (Semper, 1858, 1005).
Die Begegnung des jungen Semper mit dem etwa 20 Jahre älteren Thiersch, den er später mit der Wendung „meinem alten Papa Thiersch, meinem ehemaligen Capitano“ charakterisierte (Semper, 1855, 388),28Diese Charakterisierung, die womöglich ein Stück Ironie durchscheinen lässt, stammt aus dem bereits angeführten Text „Briefe aus der Schweiz. Die neben den Propyläen aufgefundenen Inschrifttafeln, I-VII“ von 1855, in dem Semper mit Rückblick auf ihrer beider Vor-Ort-Forschungsarbeit in Athen und an anderen Plätzen Griechenlands auch systematische Kritik an Thierschs Erechtheion-Studie übt (Thiersch, 1852). Es sei darauf hingewiesen, dass Semper auch in weiteren seiner Schriften bei der Beurteilung von Funden, die von gemeinsam untersucht worden waren, teilweise anderer Meinung ist als Thiersch. ist unter verschiedenerlei Aspekten von Interesse. Thiersch, von dem im Rahmen der Studie zu den griechisch-deutschen Verflechtungen vornehmlich mit Blick auf seine Leistungen als Philologe, Politiker und Diplomat die Rede war, beschäftigte sich ebenso systematisch mit archäologischen und künstlerischen Fragen. Er verfügte über einen fest etablierten Platz im internationalen Gelehrtennetzwerk, das mit Rom als Zentrum in der archäologischen Forschung der Zeit führenden Rang einnahm. Zwei Jahre vor seiner Griechenlandreise war 1829 die zweite, erweiterte Auflage seines vieldiskutierten Werks von 1816 Über die Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen herausgekommen, in dem sich Thiersch daran machte, bestimmte Ideen Winckelmanns, insbesondere die von ihm vorgeschlagene Periodisierung der archaischen Kunst zu widerlegen.29Vgl. dazu die Hinweise von Mallgrave, 1996, 44. Thiersch zählte zu den Gelehrten, die nachdrücklich die Hypothese vom „orientalischen Einfluss“, also von den engen Bezügen und fortsetzenden Anknüpfungspunkten zwischen der griechisch-archaischen und der ägyptischen, ebenso aber auch phönizischen und assyrischen Kunst vertraten. Die Diskussion über den autochthonen bzw. nichtautochthonen Charakter griechischer Kunst prägte bereits seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Altertumswissenschaften30Näheres dazu bei Vick, 2002. Als innergriechische Hauptvertreter der These von der Autochthonie beschäftigt diese Streitfrage besonders seit den 1840er Jahren auch Lysandros Kaftandsoglou und Alexandros Risos-Rangavis (s. dazu Vratskidou, 2016, 200-203). und sollte die akademische Welt in vielerlei Gestalt auch weiterhin beschäftigen – man denke an die Frage der Polychromie in den 1820er und 1830er Jahren. Thierschs These von den orientalischen Quellen griechischer Kunst fand ihren fortschrittlich zentralen Niederschlag auch in Sempers Denken, der bereits in seinen Schriften über die antike Polychromie unerschütterlich für die Idee einer vom Orient tief beeinflussten griechischen Kunst eintreten sollte. Es kommt nicht von ungefähr, dass seine Ablehnung einer selbstherrlich unhistorischen Sichtweise auf das griechische Wunder, zu der diese Position führt, in seiner allgemein fortschrittlichen Haltung wurzelt. Wie Sokratis Georgiadis feststellt, widerstrebte Semper „eine[r] radikalnationalistische[n] und rassistische[n] Instrumentalisierung Griechenlands mittels seiner Einbindung in germanische ursprungsmythologische Erzählungen“,31Georgiadis, 2005, 116 (umfassender analysiert 103-114). mit der die Theorien von der Autochthonie und kulturellen Autarkie des antiken Griechenland (etwa im Sinne eines Karl Ottfried Müller und Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf) besonders gern verknüpft wurden. Die Einmütigkeit zwischen Thiersch als Neuhumanisten und Semper als Architekten tritt noch an einer anderen Stelle zutage, die ich im Folgenden entwickeln möchte und die die Art und Weise betrifft, mit der Semper die Einführung westlicher Vorbilder im neuformierten griechischen Staat betrachtet.
Reiseliterarische und philhellenische Topoi in Sempers Text
Sempers Text ist von vielen typischen Merkmalen der Reiseliteratur seiner Zeit gekennzeichnet. Er verbindet Archäologisches und Historisches mit Beschreibungen der jeweiligen landschaftlichen Umgebung und dazu mit charakteristischen ethnographischen Beobachtungen an der einheimischen Bevölkerung, fokussiert auf deren Sitten und Gebräuche, Ernährungsgewohnheiten, politische Kultur und Wirtschaftsweise. Sempers Bemerkungen über die Brunftschreie der Schildkröten, die in großen Mengen die Ruinen des antiken Sparta bevölkerten und der Handel mit diesem Reptil zwischen der albanischen und apulischen Küste (Semper, 1858, 988) sind typisch für die Informationsbreite, auf die man in diesem auch literarischen Ansprüchen entgegenkommenden Text stößt. Wenn auch Sempers Blick nicht völlig frei davon ist, den Dingen einen idealisierenden oder gar exotischen Anstrich zu verleihen, sollte man doch sein Bemühen um realistische Schilderung, seine politische Wachheit und sein feines Wahrnehmungsvermögen für soziale Schichtungen innerhalb der lokalen Bevölkerung und die zwischen ihnen obwaltenden Beziehungen anerkennen. Im ersten Teil der „Reise-Erinnerungen“, der über die Abreise aus Sizilien berichtet, „seziert“ Semper kunstvoll die lokale Bevölkerung Katanias – von den kunstbeflissenen Adligen bis hinunter zu den Waschfrauen und Bettlern, die hinter den Wagen der Aristokraten herlaufen, um herabgefallene Melonenscheiben einzusammeln (Semper, 1858, 156). In seinem Bericht über Zakynthos, damals britisches Protektorat, stellt er die Eliten, die den Lebensstil der Engländer nachahmen, der Mittelklasse und der Landbevölkerung gegenüber, die „ihre eigenen Sitten und Gebräuche verteidigen“ (Semper, 1858, 158).
Sempers Reisebericht wurde zu einer Zeit veröffentlicht, in der die Beziehungen des bayerischen Throninhabers zu seinen Untertanen höchst angespannt waren – und dies schon seit 1843, als er ihnen (übrigens ohne jedes Blutvergießen) eine Verfassung zugestanden hatte. Darüber hinaus war es erst ein Jahr her, dass die krimkriegbedingte Besetzung Athens und des Piräus durch die Engländer und Franzosen ihr Ende gefunden hatte. Desungeachtet hält Sempers Text in vieler Hinsicht an seiner heroisch-philhellenischen Gesinnung fest und wahrt beispielsweise beeindruckenden Abstand zu dem bissig entmythologisierenden Griechenlandbild, das Edmond About (1828-1885) in seinem Bestseller La Grèce Contemporaine von 1854 erschreckend effektiv entworfen hatte – dem Beispiel schlechthin für das Erlöschen philhellenischer Gefühle in Europa.32Zu Abouts Werk s. Basch, 1995, 79-128. Sempers Beschreibungen bieten ein blumiges, an positiver Einschätzung der Neugriechen:innen reiches Bild, das ihren Heroismus, ihre Gastfreundschaft, ihren scharfen Verstand und besonders ihre Wissbegierde, ihr Interesse am Gemeinwohl und ihre Leidenschaft fürs Politische hervorhebt. Alles ist von Sempers Glauben an ihre geistige Wiedergeburt durch die Rückgewinnung der politischen Unabhängigkeit durchtränkt.33S. Semper, 1858, 157, 1066, 1068, 1089 u. 1091-1092. Als bezeichnendes Beispiel dafür füge ich hier eine gekonnt inszenierte, an Standardwendungen des philhellenischen Diskurses reiche Beschreibung einer Schulstunde unter freiem Himmel in den Ruinen einer Kirche außerhalb von Tripolis an (wahrscheinlich das Katholikon des Klosters der Gottesmutter Gorgoepikoos [„der eilends Erhörenden“] im Dorf Nestani):
In den dachlosen Mauern dieser Kirche waren kleine Knaben unter Aufsicht eines alten grauen Priesters mit gegenseitigem Unterricht im Buchstabiren, Lesen und Schreiben beschäftigt. […] Die große Wißbegierde und Fassungskraft der griechischen Nation erleichtert sehr den fortschreitenden Erfolg dieser Bemühungen, und aus Erfahrung kann ich behaupten, daß die Kenntniß des Lesens und Schreibens unter den jungen Griechen verhältnißmäßig verbreiteter ist, als in Italien und selbst in Frankreich. Es ist sehr lieblich anzusehen und gibt ein anmuthiges Bild der Wiedergeburt Griechenlands, wie kleine Knaben und Mädchen, im Schatten einer zerstörten Kirchenmauer, umgeben von Bruchstücken des Alterthums, neben einander gekauert an der Erde sitzen, mit ihren Zeigefingerchen ins Buch deuten, und den vorgesprochenen Laut lallend nachbeten. […] Schon dies allein gibt Griechenland einen großen Vorsprung über Italien, das in seiner alternden Erschlaffung immer tiefer sinkt, indeß das verjüngte Griechenland alle Keime des schönsten Lebens hegt.34Semper, 1858, 1068.
Charakteristisch ist hier die Kombination des antiken mit dem christlichen Element („zerstörte […] Kirchenmauer, umgeben von Bruchstücken des Althertums“), die Semper der griechischen Gegenwart zuerkennt, und dazu der für Griechenland eher ungewohnt vorteilhafte Vergleich mit Italien als dem anderen Land mit gewichtiger antiker wie neuerer Vergangenheit, in deren heutigen Repräsentanten man in Westeuropa häufig nur deren unwürdige Fortsetzer sah. In der Tat war der entscheidende Punkt bei Griechenland-Reisetexten die Frage, wie die Autoren und Autorinnen das Verhältnis zwischen antikem und modernem Griechentum behandelten. Seit Ende des 18. Jahrhunderts war die Erforschung der Kontinuität zwischen der Antike und dem kulturellen Verhalten der heute Lebenden ein typisches Phänomen, so typisch, wie es in den auf 1830 folgenden Jahrzehnten dann negiert worden ist. In Sempers Text sind solche aus der Antike herüberscheinende Elemente, wenngleich mit Einsprengseln aus orientalistischer Sicht vermischt, durchaus präsent. Die Reise ins Innere der Peloponnes beginnt – man verzeihe den Anachronismus – mit einer geradezu filmreifen Beschreibung eines traditionellen Fests im messenischen Bergland inmitten von Platanen und sich dahinschlängelnden Bächlein. Ehrfürchtig nimmt Semper den Anblick der „uralten Wurzeln jener klassischen Bäume“ in sich auf (Semper 1858, 335). Gekonnt schildert er das orgiastische Gelage, den höchst appetitlichen Lammbraten, den man sich mit türkischen Krummsäbeln herausschneidet, um ihn dann per Hand zu verzehren, die „bacchische Lust“ der geladenen Gäste, die Weisen und Tänze der Einheimischen, wobei ihn die Frauen an die Musen des Helikon denken lassen (Semper, 1858, 336).
Schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts nahmen die Reisenden gerade die Tänze der Neugriechen als antike Zeugnisse wahr, die sich so, wie sie Homer beschreibt, lebendig erhalten hatten – ein Topos, der erstmals in den Werken der Franzosen Julien-David Le Roy und Pierre-Augustin Guys Gestalt und anschließend beispielgebenden Charakter angenommen hatte.35Goulaki-Voutyra, 1990, 206ff. Vgl. auch die zur Monographie ausgeweitete griechischsprachige Version des Artikels (Goulaki-Voutyra, 1990) sowie Kouria, 2016, 136-138 u.143. Wie die Kunsthistorikerin Afroditi Kouria hervorhebt, „sind Musik und Tanz der Bereich schlechthin, in welchem diesem Zusammenhang [zwischen antiken und modernen Griechen] und der Zurückführung des modernen Griechenland auf seine ruhmreiche Vergangenheit nachgegangen wird“ (Kouria, 2016, 136); dabei werden die ikonographischen Themen des Genres typischerweise vor dem Hintergrund antiker Monumente illustrativ umgesetzt.36Vgl. beispielsweise die tanzende Frauengruppe mit dem Tempel des Olympischen Zeus und der Akropolis als Hintergrund auf einem Stich im 3., 1794 herausgegeben, Band James Stuarts und Nicholas Revetts The Antiquities of Athens (Kouria 2016, 138).
Semper selbst hat allerdings kein Interesse daran, solche Kontinuitäten aufzuspüren und zu beweisen. Statt im Tun der Gegenwart Belege für den Konnex zwischen antiken und modernen Griechen aufzuspüren, weist er ihm eher aktivierende Funktion bei der analytischen und reflektierenden Annäherung an die Vergangenheit zu (bei der es nicht um ein Hervorholen zu Zwecken der Nachahmung geht). Hier lässt sich eine interessante Umkehrung der Dinge beobachten: Semper ist es nicht darum zu tun, Vergangenes im Gegenwärtigen zu begreifen, sondern mit Hilfe der Gegenwart in der Vergangenheit zu lesen. Es ist die sinnliche Erfahrung des Tanzes zeitgenössischer Frauen aus Messene, die den Schlüssel dazu liefert, sich mit den Belegen antiker Kultur vertraut zu machen:
Ein äußerst liebliches Basrelief der Bourbonischen Sammlung zu Neapel stellt sechs erwachsene Mädchen und ein Kind vor, die mit in einander gefügten Händen den Reigen bilden und in tragischem Schritte den Körper seitwärts vorschwingen. Obgleich ich dieses Basrelief schon vorher kannte, so ergriff mich die Schönheit desselben erst recht, als ich es auf der Rückkehr zum zweitenmal sah und dabei lebhaft an unsere Messenischen und Athenischen Schönen erinnert wurde.37Semper, 1858, 336.
Innerhalb der Museumsmauern gerät die Gegenwart der Empfindungen, der Anblick des im Tanz aufgehenden Körpers zu lebendig gewordener Erinnerung und führt so nicht nur zu ästhetischer Erfahrung und Rezeption des Reliefs, sondern intensiviert sie auch („zum ersten Male nahm mich seine Schönheit wirklich in Besitz“). Die Bezugnahme auf diese neuerliche Verinnerlichung des Museumsreliefs durch Vergegenwärtigung der lebendigen, tänzerischen Aktion geht auch mit dem Aufsteigen persönlicher Erinnerungen einher: „In meiner Kindheit habe ich auf Holsteins Wiesen ähnliche Reigen getanzt, und ich freue mich der Erinnerung an die einfachen Lieder, die von kindischen Stimmen dabei abgeleiert wurden“.38ebd. Der Anblick des im Tanz aufgehenden Körpers, aber auch das Erzählen darüber löst im Schreiber eine solch vertraute Nähe aus, dass er sich selbst als tanzendes und die schlichten Liedweisen seiner Heimat vor sich hin singendes Kind darstellt – dem anderen Kind gleich, das die Musen auf dem antiken Relief in ihren Tanz einbeziehen.
Am Ende des Tanzes sprang Alles hoch in die Höhe und kauerte dann nieder und blieb ein paar Sekunden in dieser Stellung, bis die zweite Periode des Tanzes begann. Dieses ist ganz ächt griechisch. Noch sehe ich die faltenreichen Fustenellen [sic] beim plötzlichen Niederkauern sich im Winde blähen und langsam wie fallende Luftballons niedersinken. In keinem Lande außer bei uns erinnere ich mich Aehnliches gesehen zu haben.39ebd.
Das Aufspüren und Hervorheben des Vertrauten im Fremden zählt zu den Hauptmechanismen der Aneignung des Andersgearteten in der Reiseliteratur.40S. dazu die Analyse von Alexandra Rassidakis (Rassidakis, 2019, 109-110). Allerdings wahrt Sempers Denken gleichzeitig Abstand zur gängigen Strategie der Griechenlandaneignung, genauer gesagt: zur Aneignung des antiken Griechenland als wahrer Heimat der Deutschen. Semper lässt nicht ein weiteres Mal die Verbindung zwischen antikem Griechenland und Deutschland erstehen, sondern ist daran interessiert, Verbindungen zwischen dem heutigen Griechenland und seinem heimatlichen Holstein zu vertiefen. Wir haben es hier mit einer seltenen direkten Begegnung von neuzeitlichem Griechenland und Deutschland, von griechischer und deutscher Gegenwartskultur zu tun, die sich nicht hauptsächlich über das Interesse an der Antike vermittelt. Sempers Bezugnahme auf das Relief im Archäologischen Museum von Neapel verdient noch einen abschließenden Kommentar. Es bereitet keine Schwierigkeit, das von Semper beschriebene Relief als das Weihrelief aus Herculaneum aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert zu identifizieren, das tanzende Grazien und Nymphen zeigt.41Le Tre Grazie con varie Ninfe, 3. Jh. v. Chr., weißer Marmor, 66 x 108 cm, Archäologisches Nationalmuseum Neapel/Italien, Inventar-Nr. 6725, s. Comella, 2008, 149-152, dort auch die gesamte zugehörige Bibliographie.
Laut Alexandra Goulaki-Voutyra hat sich eine der frühesten Abbildungen zeitgenössischer Reigentänze aus Griechenland – eine Illustration aus dem Reisebericht Travels through Europe, Asia and Into Parts of Africa von Aubry de La Moutray (1723, Bd. 1, Abb. 11) – von eben diesem Relief inspirieren lassen. Der Stich, der sechs Frauen und ein junges Mädchen, alle gekleidet in die Tracht verschiedener Regionen, darstellt, stammt von dem englischen Maler und Kupferstecher William Hogarth (1697-1764) und wirkte sich, ablesbar an der Fülle späterer Adaptionen und Parallelversionen, katalysatorisch auf die Ikonographie des Themas aus.42Goulaki-Voutyra, 1990, 210-215. Mag die These von Goulaki-Voutyra über den Zusammenhang zwischen Hogarths Abbildung und dem antiken Relief Bestand haben oder nicht,43Selbst wenn man aufgrund der Zusammensetzung des Tanzensembles (sechs erwachsene Frauen und ein Kind) eine Art typologischer Verwandtschaft zwischen beidem als gegeben nimmt, fehlt es doch vollständig an morphologischen Berührungspunkten. Außerdem ist nicht belegt, dass Hogarth, der nie nach Italien reiste, Zugang zu diesem Werk hatte, das erstmals 1819 in den Katalog des Museums aufgenommen und erst viel später im Druck reproduziert wurde, während unbekannt bleibt, aus welcher Sammlung es in das 1798 gegründete Archäologische Nationalmuseum von Neapel gelangte (Comella, 2008, 149). Sempers Bezugnahme bleibt doch bezeichnend für das Ausmaß an Intertextualität, die für Reiseliteratur und ihre Illustrationen charakteristisch ist. Auch wenn sich die Werke dieser Literatur als (elaborierte) Niederschriften persönlicher (realer wie auch total erfundener) Reiseerfahrungen präsentieren, sollten wir uns dazu ermuntern lassen, sie stets als Texte zu lesen, die nicht einfach auf irgendeinen Ort, sondern auch auf andere Texte Bezug nehmen und dabei ihnen vorausgegangene Narrative und Abbildungen in neuer Kombination aufgreifen und kaleidoskopartig bunt variieren.44Zur Frage der Intertextualität bei in der Reiseliteratur s. Linon-Chipon/Magri-Mourges/Moussa, 1998 und besonders die theoretische Einführung zu diesem Band von Christine Montalbetti, dazu Urbain, 1998 und Thompson 2012, 361-389. Spezifisch zur Ikonographie von Reiseberichten s. Kouria, 2016.
Von dieser Warte aus gewinnt es an Interesse, die Landschaftsbeschreibungen in Sempers „Reise-Erinnerungen“ mit der Gemäldeserie des Malers Carl Rottmann zu vergleichen, die 23 denkwürdige Gegenden historischer Landschaften Griechenlands zeigt und 1853 in der Münchener Neuen Pinakothek ausgestellt wurde. Von 1838 bis zu seinem Tod 1850 arbeitete der Maler an diesem Auftrag König Ludwigs von Bayern, der die Rezeption des neuzeitlichen Griechenlandbilds entscheidend prägen sollte. Dies monumentale Ganze, ein Lebenswerk, wurde (ebenfalls!) aus großem Abstand zum Zeitraum einer Reise in Griechenland vollendet, auf der Rottmann 1834-1835 sein Material gesammelt hatte. Die Intentionen und Stilmittel des Landschaftsmalers hatten sich im langwierigen Verlauf des Ausarbeitungsprozesses bedeutend verändert. Dabei waren im Hintergrund die politische Entwicklung innerhalb Bayerns, insbesondere die Entthronung König Ludwigs, aber auch die angespannten Beziehungen zum verwandten wie aufsässigen Reich König Ottos nicht ohne Belang.45Zu den von Rottmann gewählten Stätten s. vor allem Bierhaus-Rödiger, 1978, Rödiger-Diruf, 1989, Heilmann/Rödiger-Diruf, 1998, Rott/Poggendorf/Stürmer, 2007 sowie Schnell, 2012. Bestimmte Beschreibungen Sempers der von ihm besuchten, teils idyllischen, teils verödeten, teils von den Hinterlassenschaften des Kriegs gezeichneten Landschaften der Peloponnes evozieren Rottmanns einsame, geradezu kosmogonische Landschaften. Ohne dass es dabei um dieselben Örtlichkeiten geht, erinnert beispielsweise der Abstieg vom antiken Messenien zum Golf von Kalamata mit Blick auf die Stadt und das gegenüberliegende Koroni (Semper 1858, 338) an die strukturellen Kennzeichen Rottmann’scher Landschaften wie Sikyon mit Korinth (1838) mit ihrer panoramaartigen, charakteristisch in weite Tiefen vorstoßenden Wiedergabe zweier historischer Gegenden, die über ihre jeweiligen gebirgigen Formationen, Ebenen und Meeresflächen miteinander in Korrespondenz treten.46Semper hatte sicherlich keine Möglichkeit, Rottmanns Landschaften in der Münchner Pinakothek zu sehen. Da auch Bayerns Beitrag mit Kunstwerken zur großen Londoner Ausstellung von 1851 keine Werke Rottmanns enthielt, konnte Semper auch dort nicht mit ihnen in direkten Kontakt kommen. Bestimmte Werke aus dem Ganzen waren allerdings schon seit 1840, also schon bevor Semper Deutschland verlassen musste, auf Kunstausstellungen präsent, während andere wie Sikyon mit Korinth (1838), Olympia (1839), Sikyon mit Parnass (1839), Aulis (1847) und Marathon (1847) weite Verbreitung als Stiche gefunden hatten (Rott/Poggendorf/Stürmer, 2007, 132, 136, 156-157 sowie 324, 326, 336-337). Die Zeitschrift Kunstblatt begleitete den Fortgang der Arbeit am Gemäldezyklus Rottmanns, der bis in die 1850er Jahre unstrittig als bedeutendster Landschaftsmaler Deutschlands galt, regelmäßig mit entsprechenden Artikeln (Rott/Poggendorf/Stürmer, 2007, 96). Zur allgemeineren Rezeption der Landschaftsbilder s. im einzelnen Rott/Poggendorf/Stürmer, 2007, 94-99.
Angesichts der Tatsache, dass die Überreste antiker griechischer Kultur weitgehend verschwunden waren, wird beim spezifischen Bildgenre der historischen Landschaft, das Rottmann pflegte,47Zum Begriff der historischen Landschaft und Rottmanns Beitrag zur Herausbildung des Genres im einzelnen s. auch den Artikel von Barbara Eschenburg, 1998. und ebenso in Sempers Text der Natur, in der sich die antike Vergangenheit noch gegenwärtig zeigt oder zumindest noch heraufbeschwören lässt, besondere Aufmerksamkeit geschenkt: „Nicht ohne Rührung betrat ich den Rücken des Berges Ithome, denn Pausanias Schilderung der messenischen Kriege stand mir in lebhafter Gegenwart vor Augen“.48Semper, 1858, 984. Das den Texten zugrundeliegende Geschichtswissen trifft hier auf eine Gegenwart unmittelbarer Empfindung und das Erlebnis einer natürlich-realen Umgebung, die auf diese Weise zum dialogischen Hauptberührungspunkt zwischen Gegenwart und Vergangenheit wird,49S. dazu Polykandrioti, 2019 und Rassidakis, 2019, 113-115. – und das gilt, wie wir hier sehen, gleichermaßen für die Texte wie die Bilderwelten der damaligen Reisekultur.
Byzantinische Kirchen im Brennpunkt des Interesses: Semper in der Athener Großen Marienkirche (Megali Panagia)
Innerhalb dieses Textgenres kommt besonderes Interesse den beiden großen Exkursen in Sempers „Reise-Erinnerungen“ zu, die er der Architektur auf griechischem Boden aus mittlerer und neuerer Zeit, also der byzantinischen, osmanischen und zeitgenössischen traditionellen Baukunst widmet. Der dritte Teil des Texts unter dem Titel „Byzantinische Bauten und Anwendung ihres Styls auf die Neuzeit“ bietet den systematischen Versuch, byzantinische Kirchenformen, ihre jeweilige lokale Ausprägung und ihre Verbreitung in Italien zu analysieren. Ausführlich beschreibt Semper die architektonischen Einzelheiten, aber auch das Bildprogramm der Kirchen, nimmt die byzantinische Malerei als direkte Fortsetzung der antiken wahr50Semper, 1858, Fußnote auf S.736: „Dieser Gebrauch, das Innere des Tempels mit Heiligen auszuschmücken, ist ganz antik, und ich darf die häufig vorkommenden Stellen im Pausanias nicht erst anführen, worin er von den Bildnissen der Heroen und berühmten Männer spricht, die an die inneren Wände des Tempels gemalt waren. Ja es läßt sich vermuthen, daß nicht allein die Idee, sondern sogar die Art der Auffassung und Ausführung dieser Heiligenbilder viel Eigenthümliches von der Antike hat; welches Niemanden verwundern darf, da gewiß zur Zeit der Christen des hohen Mittelalters noch manche Spuren antiker Malerei übrig geblieben waren, die als Muster selbst den christlichen Meistern dienten“. Sempers Formulierung darf besonderes Interesse für sich beanspruchen, auch wenn die These nicht neu ist. Zumindest lässt sie sich auf die Untersuchungen von Jean-Baptiste d’Agincourt und Jacques Nicholas Paillot de Montabert über Maltechniken der Antike und des Mittelalters zurückführen, besonders auf des Letzteren Werk Dissertation sur les peintures du Moyen Âge, et sur celles qu’on a appelées gothiques (1812). S. dazu Rouquet, 2007, 36-37.und schließt mit einer Diskussion der Möglichkeiten, das byzantinische Modell für den zeitgenössischen Kirchenbau zu nutzen. Im Gegensatz zu seinen Arbeiten über antike Baudenkmäler, z.B. die Stadtmauern von Messene und das Arkadische Tor (Semper 1858, 986), bezieht Semper bei den byzantinischen Kirchenbauten nicht die (übrigens damals noch sehr kümmerliche) Fachliteratur mit ein, sondern stützt sich ausschließlich auf eigenen Augenschein und ist dabei bestrebt, seine empirischen Beobachtungen und Hypothesen – zuweilen einigermaßen gewaltsam – in ein theoretisches Schema einzuordnen. Die Resultate, die französische Architekten wie Charles Texier und Albert Lenoir aufgrund ihrer Mitte der 1830er Jahre vor Ort durchgeführten Untersuchungen byzantinischer Baudenkmäler erzielt hatten, sind Semper kaum oder gar nicht bekannt.51Zu den Anfängen architektonischen und historiographischen Interesses an byzantinischer Kunst spezifisch des heutigen griechischen Raums s. Villadsen, 1978/Kourelis, 2004/Nayrolles, 2005, 285-304/Musto, 2007/Athanassopoulos, 2013 und Magouliotis, 2020. Das von ihm ausgearbeitete Schema scheint z.B. den ersten, von Lenoir 1840 publizierten Versuch, byzantinische Architektur nach Perioden und Bautypen systematisch zu gliedern, überhaupt nicht berücksichtigt zu haben (Lenoir, 1840). Art und Beschaffenheit der Semper’schen Analyse lassen deutlich die zeitliche Nähe zu seiner Reise erkennen. Tatsache ist überdies, dass die hier zu beobachtende Emphase für Fragen der Typologie und Bauweise nicht Sempers Interessen in den 1850er Jahren entspricht, denn sein theoretisches Denken konzentriert sich in dieser Zeit vor allem auf Themen der Oberflächenwirkung.
In seiner Analyse definiert Semper zwei Haupttypen byzantinischer Kirchenarchitektur: die Basilika und die Kuppelkirche. Im Gegensatz zu anderen frühen Erforschern byzantinischer Baudenkmäler wie André Couchaud aus Lyon, der das Land 1842 besucht und die erste, reich bebilderte und ausschließlich byzantinischen Kirchen in Griechenland gewidmete Studie veröffentlicht hatte (Couchaud 1842), konträr auch zu dem Bayern Friedrich Stauffert, der zwischen 1835 und 1843 als Architekt in Diensten der Stadt Athen stand und 1850 einen langen Aufsatz dem Thema widmete (Stauffert 1850), ordnet Semper sein Material nicht nach chronologischen Gesichtspunkten, wie sie Couchaud mit seiner dreigliedrigen Periodisierung vorgeschlagen hatte, sondern hauptsächlich auf der Grundlage architektonischer Typisierung. Die beiden von ihm definierten Bautypen leitet er konzeptionell antithetisch ab. Der quadratische Kuppelbau, eine einheimische, aus lokalen Gegebenheiten entwickelte und konzeptionell als „ursprünglich christlich“ angesehene Form (Semper, 1858, 734) wird dem, wie er glaubt, später aus Italien importierten Basilika-Typus entgegengesetzt, der von den frühchristlichen Basiliken in Rom bekannt ist und seine Wurzeln in der heidnischen Antike hat.52Die Beispiele von Basiliken, denen Semper vor allem in Athen, aber auch auf den ionischen Inseln begegnet, stuft er zwar korrekt als jünger ein, leitet aber daraus irrig auch eine spätere Datierung des Bautyps als solchen ab. Auf den ersten Blick scheint dieses Schema auf bipolaren Antithesen wie autochthon-importiert, früher-später bzw. christlich-heidnisch zu beruhen. Was Semper indessen wirklich interessiert, ist keine absolute Stringenz seiner Kategorisierungen, im Gegenteil: er legt alles Gewicht auf Prozesse wie ständige Zirkulation, vielfältige Aneignung und Anpassung dieser „Grundformen“ Kuppelkirche und Basilika.
Mit der Verbreitung des Kuppelkirchen-Modells in Italien entsteht dort die hybride Form der Kuppelbasilika, die Semper, dabei den Petersdom in Rom als Beispiel im Auge „wie alle Composite“ als ungeeignet für die zeitgenössische architektonische Praxis erachtet. Es ist nicht nur der Austausch zwischen Griechenland und Italien, der als Konstante seiner Analyse sichtbar wird, sondern ebenso jene zwischen byzantinischer und osmanischer Architektur: „Auffallend genug aber ist es, daß sogar die türkischen Moscheen in der Grundform diesen griechisch-christlichen Tempeln ganz ähnlich sind, selbst die jenigen, die ursprünglich für den muhamedanischen Gottesdienst bestimmt waren und nicht etwa früher als christliche Kirchen gedient hatten“.53Semper, 1858, 734. Ausführlich ermittelt Semper die hervorstechenden Ähnlichkeiten zwischen christlichen Kirchen und mohammedanischen Moscheen, weist aber ebenso auf das hin, was sie voneinander unterscheidet (Semper, 1858, 737). Er setzt sich fortlaufend mit der osmanischen Architektur als Fortsetzerin der mit ihr eng verwobenen byzantinischen Baukunst auseinander und schreibt sie so, im Gegensatz zu allem Sich-gegenseitig-Ausschließen und Zerstückeln, wie es in national ausgerichteten Geschichten der Architektur vorherrschend üblich ist, in ein gemeinsames historisches Narrativ ein. Als „Normalform“ einer solchen gemeinsamen Geschichte schlechthin bespricht er die Hagia Sophia in Konstantinopel als Konstitutiv-Modell einer Kuppelkirche (dt. Original: „Mutterkirche“), die sich [auch] nach ihrer Umwandlung in eine Moschee gleicher Wertschätzung unter Christen wie Mohammedanern erfreute: „Nach ihm wurden alle kleineren Filialkirchen, soweit derselbe Glaube reichte, gemodelt, sowohl früher die christlichen als in der Folge die muhamedanischen“.54Semper, 1858, 737.
Sempers Beschäftigung mit byzantinischer Architektur und Kunst ausführlicher zu untersuchen, ist ein lohnendes Unterfangen. Von ganz besonderem Interesse ist in dieser Hinsicht eine der fünfzehn farbigen Illustrationen, die den zwei Jahre nach den „Reise-Erinnerungen“ veröffentlichten ersten Band seiner großen Studie Der Stil begleiten. Es handelt sich um die Wiedergabe der ausgemalten Kuppelwölbung einer byzantinischen Kirche in Athen, die von ihm allerdings weder benannt noch historisch eingeordnet wird (Abb. 1).55Die Bildunterschrift lautet einfach „Byzantinische Malerei an einer Kuppel zu Athen“ (Semper 1860, Tafel VIII), während die Wandmalereien im Fließtext stilistisch als „neobyzantinisch“ charakterisiert werden (Semper 1860, 69), was, wie ich noch darlegen werde, in der Tat der späteren chronologischen Einstufung dieses Komplexes aus postbyzantinischer Zeit entspricht. Die bisherige Forschung zu Sempers grundlegendem Werk hat bislang die Darstellung und ihre Herkunft identifizieren können. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um eine der zwei Kuppeln der sogenannten Großen Marienkirche (Megali Panagia), die sich auf dem Gelände der Hadrians-Bibliothek im Zentrum Athens befand (Abb.2). Diese Doppelkirche bestand aus einer einräumigen, der Gottesmutter geweihten byzantinischen Kirche aus dem 12. Jahrhundert und einer zweiten, der Heiligen Dreieinigkeit gewidmeten, die in osmanischer Zeit Ende 17., Anfang 18. Jahrhundert hinzugefügt worden war; ihrer Kuppel ist die in Sempers Werk abgebildete Ausmalung zuzuordnen. Die Große Marienkirche wurde von der August 1884 ausgebrochenen Feuersbrunst fast vollständig zerstört und 1885 von der Archäologischen Gesellschaft Athens abgerissen, um auf dem Gelände der römischen Bibliothek Ausgrabungen durchführen zu können.56Zur Geschichte der Kirche s. in erster Linie Kokkou, 1977, 158-161/Buras, 2006/Athanassopoulos, 2013, 208-211, dort auch alle Angaben zur älteren Bibliographie. Die postbyzantinische Verbildlichung der „Ainoi“ [Lobpsalmen 148 bis 150],57Zur Thematik der Darstellung s. Konstantinidis, 1880, 303-304 und Crichton-Stuart, 1885, 104-105. Es handelt sich um eine bildliche Umsetzung der letzten drei Psalmen Davids (148, 149 und 150), ein Thema theologisch-kosmologischen Charakters, der sich 14. Jahrhundert herausgebildet hatte, aber bedeutende Verbreitung erst seit dem 16. Jahrhundert erlebte. Wie auf Sempers Wiedergabe zu sehen, bildet Christus, umringt von den Symbolen der Evangelisten, das Zentrum der Komposition, um das sich umlaufend die Heerscharen der Engel in ihren neun Abteilungen gruppieren, ihrerseits umschlossen von den zwölf Sternbildern des Tierkreises und den Himmelkörpern Sonne und Mond. Umfassenderes über diesen ikonographischen Typus s. Merantzas, 2005. in der Kuppel, die Sempers Skizze wiedergibt, kannten wir bisher nur von den Aquarellen, die der in Athen ansässige Schweizer Ausgrabungszeichner Émile Gilliéron 1884 kurz vor dem Großfeuer auf Kosten des englischen Kunstfreundes und Markgrafen von Bute, John Patrick Crichton-Stuart (1847-1900) angefertigt hatte.58Das Aquarell wurde 1887 als Illustration zu einem Artikel in der Zeitschrift Archaeologia, Organ der Society of Antiquaries of London veröffentlicht (Westlake, 1887), mit dessen Hilfe es mir gelang, die Darstellung zu identifizieren. Ich habe noch nicht klären können, ob die Aquarellvorlage zum Archiv Guilléron gehört, das 2017 als Schenkung in die Sammlungen der École Française d’Athènes gelangt ist und dort derzeit noch bearbeitet wird. Ich bin dabei, eine gesonderte Studie samt vollständigem Belegmaterial über diesen außerordentlich interessanten Fund zu schreiben.
In der Zeit, in der Semper Athen besuchte, diente die Kirche als Antikendepot, wurde aber bald im Zusammenhang mit dem Bau von Kasernen und der Nutzung des Geländes als öffentlicher Markt zugeschüttet und konnte nicht mehr betreten werden. Nur die (byzantinische) Kuppel blieb noch sichtbar, – André Couchaud hat sie auf einer seiner Zeichnungen entsprechend charakteristisch abgebildet (Couchaud, 1842, 13, Abb. 1). Sollte die Wiedergabe der Wandmalereien auf eine eigenhändige Skizze Sempers selbst zurückgehen,59Die Abbildungen in Der Stil sind bisher noch nicht vollständig auf ihre Herkunft hin überprüft worden. Einige, wie etwa die Farbrekonstruktionen des Bauschmucks am Theseion (Tafeln I-II), gehen direkt auf Semper, andere auf Veröffentlichungen Dritter zurück, so beispielsweise die „Proben indischer Lackarbeiten (nach Redgrave)“ (Tafel X), andere schließlich stützen sich auf Zeichnungen von Freunden, Schülern und Mitarbeitern (Laudel, 2007, 23). Es ist unwahrscheinlich, dass Semper die in Rede stehende Tafel aus einer bereits vorhandenen Ausgabe übernommen hat, denn die Wandmalereien aus der Kirche waren bislang unveröffentlicht geblieben. Nicht ganz auszuschließen ist die Möglichkeit, dass die Abbildung von zweiter Hand stammt, doch scheint das bei der äußerst eingeschränkten Möglichkeit des Zugangs zum Baudenkmal eher unwahrscheinlich. 1858, zwei Jahre vor der Veröffentlichung von Der Stil, wurde das Monument von den Aufschüttungen und Marktabfällen gereinigt und von der Archäologischen Gesellschaft versiegelt, doch den Akten der Gesellschaften zufolge scheint anlässlich der Reinigungsarbeiten keine Dokumentierung der Fresken erfolgt zu sein.dann würde das bedeuten, dass sich der junge Architekt während seines Athenaufenthalts 1831-1832 nicht nur dafür interessierte, die Farbspuren und -reste an antiken, sondern auch an byzantinischen Baudenkmälern zu studieren und nachzuweisen.60Wir verfügen auch über weitere Skizzen Sempers von byzantinischen und romanischen Baudenkmälern, z.B. ein Aquarell, das das Innere der Kathedrale von Monreale auf Sizilien mit ihren byzantinischen Mosaiken wiedergibt (Abb. 3) – bei der Veröffentlichung des Aquarelles in Nerdinger/Oechslin, 2003, 492 wird die abgebildete Kirche irrtümlich als der Dom von Cefalù identifiziert.
Wie Semper in seinen Vorläufige[n] Bemerkungen über bemalte Architectur und Plastik bei den Alten (1834) erwähnt, hatte er den Vorsatz, auf der Grundlage seiner Forschungen in Griechenland und Italien die Farbsysteme der Architektur aus makrohistorischer Perspektive, über die Grenzen der Antike hinaus zu rekonstruieren (Semper, 1834, 36-42). Konkret kündigt er eine Veröffentlichung in drei Teilen an, wobei die ersten beiden der altgriechischen Baukunst gewidmet sein sollten – der erste, letztendlich als einziger publiziert (Semper, 1836), dem dorischen Stil, der zweite, das Erechtheion dabei als Hauptbeispiel, dem ionischen, und der dritte der Verwendung von Farbe in mittlerer Zeit gewidmet. Mit der Trajanssäule als besterhaltenem Beispiel römischer Polychromie sollte dieser letzte Band „die Basiliken, die mauritanische (= maurische), byzantinische, gotische, florentinische und venezianische Architektur“ untersuchen (Semper, 1834, 36).61Zu diesem herausgeberischen Projekt Sempers s. Laudel, 2007, 21-24. Angesichts dessen erscheint Sempers Beschäftigung mit byzantinischen Kirchenbauten und ihrer farbigen Einkleidung absolut plausibel und erlaubt uns, die Dimensionen seines Griechenlanderlebnisses besser zu verstehen. Allem Anschein nach haben seine theoretischen Standpunkte zur farbigen „Bekleidung“ der einzelnen architektonischen Bauglieder62Für eine umfassende Zusammenfassung auf Griechisch siehe Tournikiotis, 2005, 37–40., die er in Der Stil abschließend entwickeln sollte, ihre Wurzeln auch in dieser „Byzanz-Schulung“ an attischen und peloponnesischen Kirchen. Unter ihren Charakteristika hebt Semper mit besonderem Nachdruck hervor: „Als ein besonders bezeichnender Umstand verdient hier noch bemerkt zu werden, daß in den byzantinischen Kirchen, außer den Säulenbasen und Kapitälern, alle architektonischen Glieder vermieden sind und durch gemalte Ränder und Streifen vertreten werden.“63Semper, 1858, 736. Diese Feststellung lässt Sempers besondere Sensibilität für die architektonische Funktion der Farbe und den zwischen Baugliedern und farbig gestalteten Oberflächen obwaltenden Bezug erkennen, eine Frage, der sich sein theoretisches Denken dann ab Beginn der 1850er Jahre systematisch zugewendet hat.
Die Verlagerung seines Augenmerks von der antiken auf die nachklassische Architektur und Sempers Interesse an der byzantinische Kirchenarchitektur spiegelt sicherlich die zeitgenössischen Debatten über Historismus und Eklektizismus in der Architektur wieder,64Zu Sempers Thesen auf diesem Gebiet s. Hvattum, 2004. sollte aber auch mit Sempers persönlichen Erfahrungen auf kirchenbaulichem Gebiet in Zusammenhang gesehen werden. Besondere Bedeutung hat hier seine erfolglose Teilnahme am Wettbewerb zum Wiederaufbau der Hamburger St. Nikolai-Kirche nach dem großen Brand von 1842. Nachdem man zunächst seinem Entwurf den Vorzug gegeben hatte, wurde er dann doch zugunsten des neugotischen Entwurfs des englischen Architekten George Gilbert Scott abgelehnt, den das konservative protestantische Lager als Beispiel wahrhaft nationalen Stils aufs wärmste unterstützte (Mallgrave, 1996, 133-149). In seiner im selben Jahr veröffentlichten Abhandlung Über den Bau protestantischer Kirchen (1845) engagierte sich Semper als Verteidiger seines Entwurfs, positionierte sich darüber hinaus aber auch grundsätzlicher zu der Frage, in welchem Stil protestantische Kirche zu errichten seien, und verwarf dabei die Hinwendung zur Neugotik, die er mit sozial und politisch reaktionären Konnotationen behaftet sah. Als Gegenstück zur Spitzbogengotik trat er für die Rundbogen- und Wölbungsarchitektur byzantinisch-romanischer Provenienz ein, die Semper in Griechenland wie in Italien zu studieren Gelegenheit hatte, und der nun diese Erfahrung in den Dienst seiner Bemühungen stellte, einen eigenen architektonischen Nationalstil für Deutschland zu entwickeln und zu definieren.65Vgl. die entsprechenden Analysen von Dolgner, 1981, insbesondere auf den Seiten 180-182, sowie von Karge, 2013, 20-24.
Jenseits der westeuropäischen Vorbilder: die Nutzung lokaler Architekturtraditionen
Der zweite, mit „Fränkisch-nordischer Einfluss auf griechische Baukunst“ betitelte Exkurs des Reiseberichts geht auf das architektonische Geschehen im neuerrichteten Königreich, insbesondere den Häuserbau dort ein. Semper übt Kritik an Neubauten von Wohnhäusern, die man unter Kapodistrias in Athen und Nafplio errichtet und auf unglückliche Weise an europäische Vorbilder angelehnt hatte. Dabei habe man, so hebt er hervor, „den ganz zweckmäßigen Typus, der sich mit den Bedürfnissen und den Grundzügen des neugriechischen Nationalcharakters ausgebildet hatte“ völlig außen vor gelassen.66Semper, 1858, 1005. Semper sieht in diesem Typus eine Mischung aus altgriechischen und an die byzantinische und osmanische Vergangenheit angelehnten Elementen. Gestützt auf seine eigenen, vor Ort gemachten Feststellungen unterscheidet er drei unterschiedliche Haustypen: „das städtische Wohnhaus, das Bauernhaus und die Burg [= Wehrturm]“.67Ebd. In Opposition zu den von auswärts eingeführten Modellen des Florentiner Palastes, der neopalladianischen Villa und der neugotischen Kirche rät Semper – natürlich unter Einbezug bestimmter Verbesserungen – zur Nutzung der Formen und Baukonzepte einheimischer Architektur. Wiewohl seine Analyse auch Bezug auf essentialistische Kategorien wie den Begriff „Nationalcharakter“ nimmt (s.o.), behält er doch auch die geographisch-klimatischen Gegebenheiten und soziokulturellen Dimensionen im Auge. So steht seinem Dafürhalten nach das traditionelle türkische Wohnhaus, an dem sich das neugriechische ausrichtet, in seiner Anpassung an identische klimatische Verhältnisse dem altgriechischen Wohnhaus deutlich näher als das italienische Palast-Model, das Semper ablehnt, weil sich in ihm westlich-feudalistische Sozialstrukturen abbilden:
Das städtische Wohnhaus hat sich in Morea und in Romelien ganz nach türkischen Mustern gebildet, und zeigt wirklich in den Hauptanordnungen eine Zweckmäßigkeit, die um so empfehlbarer ist, als sie der größten künstlerischen Ausbildung und Verschönerung fähig ist. Ein türkisch gebautes Wohnhaus ist dem südlichen Klima angemessener und kommt der antiken Bauart näher, als das im Mittelalter den Palästen des übermüthigen Adels nachgebildete italienisch städtische Wohnhaus.68Ebd.
Die analytische Sichtung der architektonischen Einzelcharakteristika des traditionellen Hauses unter spezieller Berücksichtigung seiner Schmuckelemente69Semper, 1858, 1006: „Das vorspringende Dach mit den leichten Verzierungen, der Gebrauch, den Hintergrund des bedeckten Ganges mit Stuck und Farben zu schmücken und die Säulen durch lebhaften Anstrich abzuheben, die freiliegende hohe Treppe, die in dem zierlichen Hofplatz liegt, die Schnitzwerke der Thüren und Fenster, ja selbst die gänzliche Abwesenheit der Fenster nach Außen im unteren Stock […]“. führen Semper zu dem Schluss, dass hier ein solider Ausgangspunkt für die Entwicklung einer eigenständigen Architektur im jungen Staatswesen vorliege, „ohne auf Fremdes hinüber blicken zu müssen“.70Ebd. Für noch geeigneter, genauer gesagt „noch nationaler“ (Semper, 1858, 1006) hält er den Stil der Häuser auf Hydra und den Inseln:
Sie sind meistens ohne Geschmack in der Facade, aber ihr Plan, die Anordnung des Ganzen ist so ächt pompeianisch, daß man wirklich über die Aehnlichkeit erstaunt. Man tritt aus einem kleinen Blumengarten, der die Facade umzäunt, auf mehreren Stufen in das Haus und durch einen Gang in ein freies unbedecktes Atrium (Art Vorsaal), das mit einer Art Mosaik von weißen und schwarzen Steinen ausgelegt ist. Von diesem Atrium führen Thüren zur Rechten in die Gemächer der männlichen Bewohner, zur Linken ins Frauen-Zimmer; und selbst unter diesen einzelnen Theilen des Hauses ist eine Harmonie und ein Zusammenhang, der dem edlen Eingange entspricht71Semper, 1858, 1006..
Semper besuchte Hydra hochwahrscheinlich in Begleitung Thierschs, dem er den Zugang zu den Privathäusern prominenter Politiker verdankte. Er war vielleicht zusammen mit ihm in der Residenz Miaouli (1808) untergebracht (Thiersch, 1866, Bd. 2, 99), einer der wenigen Herrenhäuser von Hydra, die über einen Atriumhof verfügen. Mag der Vergleich mit dem pompejanischen Haus auch gewagt erscheinen, so ist er doch bezeichnend für Sempers Forscherenthusiasmus, der stets – hier im Fall mediterraner Architektur – auf der Suche nach gemeinsamen, von Anbeginn sich wiederholenden Grundstrukturen und Motiven ist – eines der ganz zentralen theoretischen Anliegen Sempers schon seit seiner Studie Die vier Elemente der Baukunst (1851). Anschließend geht er auf die wegen ihrer Hanglage charakteristisch terrassierte Gestaltung insularer Siedlungen ein, was als Folge der scharfsinnigen Nutzung verfügbaren Raums der Innenaufteilung der Häuser „noch mehr Verschiedenheit und Anmuth“ verleiht.72Ebd. Abschließend hebt er noch einmal nachdrücklich die Möglichkeiten der Nutzung bodenständiger Bautechniken hervor:
Ich frage, ob hier nicht genug Stoff des Schönen und Guten vorhanden ist, und ob man etwas anders nöthig hat, als gebildeten, an der griechischen Antike gereiften Geschmack, um das Gefundene würdiger hervorzuheben und es zu säubern, nicht es durch exotische Kunstgebilde zu verdrängen.73Ebd.
Dies ist womöglich die erste positive Würdigung der einheimischen, traditionellen Architektur und zugleich eine Ermunterung, auf sie zurückzugreifen – 60 Jahre bevor Le Corbusier, aber auch modern denkende griechische Architekten wie Aristotelis Sachos und Dimitris Pikionis sich für sie zu interessieren begannen. Während des ganzen 19. Jahrhunderts wurden in Griechenland nur sehr wenige Stimmen laut, die sich für die Nutzung einheimischer künstlerischer Techniken einsetzten. Auffällig ist hier der Fall des Historikers und Professors für Kunstgeschichte an der Kunsthochschule Grigorios Papadopoulos, der bereits Anfang der 1840er Jahre im Rahmen des innergriechischen Diskurses zur bildenden Kunst erstmals auf die direkte Kontinuität zwischen antiker und byzantinischer Malerei aufmerksam gemacht und später theoretische Überlegungen zu einer „verbesserten kirchlichen Malerei“ angestellt hatte, mit denen er eine Verschmelzung byzantinischer Bildtypen mit der Bildsprache der westlichen Renaissance vorschlug.74S. dazu Vratskidou, 2013 und Grekos, 2016. 1946 brachte Konstantinos Biris das auffällige Desinteresse volkskundlicher Studien des 19. Jahrhunderts an traditioneller Architektur ins Gespräch und stellte fest, dass „das Haus […] komplett ignoriert wurde, weil es als lokales, rein nationales Kapitel für das Ausland ohne jedes Interesse war und dementsprechend von unseren Wissenschaftlern nicht als Gegenstand einer auf nachahmende Anpassung bedachten akademischen Forschung betrachtet wurde“.75Biris, 1946, 1017.
Biris’ Behauptung verallgemeinert zwar sehr, entbehrt aber nicht der Grundlage. Semper bildet dazu jedenfalls eine bedeutende Ausnahme, zudem ist nicht auszuschließen, dass eine gründlichere Erforschung der Angelegenheit auch weitere Fälle solch früh aufgetretenen Interesses an traditioneller Kunst und Architektur ans Licht befördern würde. Sempers Position zur Formenwelt griechischer Wohnhausarchitektur und ihrer Vorbilder liefert ein interessantes Beispiel dafür, welche Überlegungen historische Akteure selbst zu Transfer und Adaption vorgegebener Modelle anstellten, mit anderen Worten zu dem, was wir heute als Geschichte der kulturellen Transfers und Verflechtungen untersuchen und kategorisieren. Vor diesem Hintergrund wird die Verwandtschaft des Denkens Sempers mit dem Kultur- und Zivilisationsprojekt sichtbar, das Friedrich Thiersch in De l’état actuel de la Grèce contemporaine et des moyens d’arriver á sa restauration (1833), seinem grundlegenden Werk zur Strukturierung des neugriechischen Staats darlegt. Wie Marilisa Mitsou aufzeigt, vertrat Thiersch ebenso wie Semper – im Gegensatz zu den Praktiken von Ottos Regentschaftsrat – eine nüchtern-gemäßigte Form interventionistischen Vorgehens, das auf vorhandenen Strukturen aufbauen und lokale Bedürfnisse und Bestrebungen respektieren sollte (Mitsou, 2021).
Ich fasse abschließend zusammen: Sempers Reisetext vermittelt uns – von Byzanz über das Osmanische Reich bis hin zum jungen Königreich – eine selten anzutreffende Bezugnahme auf die mittelalterliche und neuere Architektur Griechenlands. Sempers Publikation von 1858 bietet eine Art Pendant zu seinen Schriften über die Architektur der Antike und insbesondere deren Polychromie: wie die antike ist auch die jüngere Architektur historisch eingebunden und unlösbar mit dem Orient verflochten. Bezüge auf die antike Architektur fehlen keineswegs, zählen aber zu den weniger interessanten im Text. Wo immer es um antike Städte und Baudenkmäler geht, die Semper auf der Peloponnes besucht hat, bringt er Beschreibungen, Messungen und vielerlei Anmerkungen zu spezifischen Fragen bei, die auf eine Überprüfung der damals vorhandenen Bibliographie abzielen. Zu byzantinischen, osmanischen und neueren architektonischen Beispielen stattdessen bemüht er sich in bemerkenswerter Weise um ihre theoretische Einordnung, Kategorisierung und Periodisierung. Letztendlich schlägt er damit einen Weg vor, wie man im damaligen Griechenland fernab importierter westeuropäischer Vorbilder architektonisches Handeln entfalten könne bzw. auch sollte.76Sempers Anregung erinnert an den entsprechenden Versuch des jungen Stefanos Koumanoudis in seinem 1845 veröffentlichten Wohin bewegt sich heutigentags die griechische Kunst?, macht sich aber eine diametral entgegengesetzte ideologische Ausrichtung zu eigen.
* Für ihre wertvollen Anmerkungen und ihre Unterstützung in Dokumentationsfragen danke ich den Kolleginnen und Kollegen Prof. Dr. Sokratis Georgiadis, Dr. Nikos Graikos und Dr. Elena Chestnova, ebenso den Herausgebern Alexandros Kyrtsis und Miltos Pechlivanos sehr herzlich.