Thomas Nicolaou (1937–2008) war ein deutsch-griechischer Schriftsteller, Übersetzer und Kulturvermittler.
Geboren als Sohn griechischer Bauern im thessalischen Dorf Ambeliko, erlebte Nicolaou den griechischen Bürgerkrieg (1946–1949) auf Seiten der kommunistischen Partisanen mit und wurde nach deren Niederlage als eines von ca. 1000 „Griechenlandkindern“ in die DDR evakuiert. Hier lebte er zunächst für einige Jahre im „Heimkombinat freies Griechenland“, einer Erziehungseinrichtung für die griechischen Bürgerkriegsflüchtlinge im sächsischen Radebeul, später in einem Internat für griechische Kinder in der Dresdener Villa Orlando. Nachdem Nicolaou in Dresden das Abitur abgelegt hatte, nahm er 1958 ein Journalismus-Studium an der Karl-Marx-Universität Leipzig auf, wo er anschließend als wissenschaftlicher Assistent tätig war.
Als Schriftsteller wurde Nicolaou 1968 mit seinem Debüt-Roman Nachts kamen die Barbaren bekannt, der einen inhaltlichen Bogen zwischen dem griechischen Bürgerkrieg und der Obristenherrschaft (1967–1974) spannt. Wie die übrige Prosa Nicolaous, die zahlreiche Kinderbücher umfasst, ist auch dieses Werk stark von der Biographie und den politischen Überzeugungen des Autors geprägt. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit war Nicolaou seit den 1970er Jahren als griechisch-deutscher sowie seit den 1980er Jahren als deutsch-griechischer Übersetzer tätig. Durch seine literarisch-übersetzerische Arbeit war er auch persönlich mit Literaten wie Jannis Ritsos und Christa Wolf verbunden. Letztere verarbeitet in ihrer Erzählung Sommerstück (1989) die gemeinsamen Sommer im mecklenburgischen Drispeth, wo Nicolaou seit Beginn der 1970er Jahre lebte. 1982 begleitete Nicolaou sie auf eine Griechenland-Reise, die den Anstoß zu der Erzählung Kassandra gab; diese wiederum wurde 1983 von Nicolaou ins Griechische übersetzt.
Aufgrund seiner Biographie war Nicolaou ein gefragter Repräsentant des ‚progressiven‘ Griechenland in der DDR, etwa als Redner an Schulen und auf diversen Kulturveranstaltungen. Als er 1976 im Zuge der Legalisierung der KKE erstmals nach 27 Jahren sein Heimatdorf besuchen konnte, lieferte dieses Ereignis den Anlass für die Reportage Heimkehr ins Gestern des bekannten Dokumentarfilmers Karl Gass, die noch im selben Jahr im DDR-Fernsehen ausgestrahlt wurde. 1987 wurde Nicolaou für seine langjährige Tätigkeit als Kulturvermittler mit dem „Stern der Völkerfreundschaft“ geehrt.
Bereits in den 1980er Jahren wurden Gerüchte laut, dass Nicolaou als Mitarbeiter der berüchtigten Staatssicherheit (Stasi) für die Bespitzelung, Verhaftung und Ausweisung von zahlreichen DDR-Bürgern verantwortlich sei. Das ganze Ausmaß dieser Tätigkeiten wurde 1992 bekannt, als die Stasi-Akten zur Einsicht freigegeben wurden. Aus diesen ging u. a. hervor, dass Nicolaou als „IM Anton“ nicht nur seine griechischen Landsleute, sondern auch zahlreiche Künstler und Schriftsteller wie das befreundete Ehepaar Christa und Gerhard Wolf bespitzelt hatte. 1992 zog Nicolaou infolge der Enthüllung seiner Stasi-Vergangenheit mit seiner deutschen Frau Carola und dem gemeinsamen Adoptivsohn Petros nach Griechenland.