Joseph Mindler (1808–1868), auch gräzisiert Ιωσήφ Μίνδλερ, besorgte die erste vollständige deutsche Übersetzung der Hymne an die Freiheit (Ύμνος εις την Ελευθερίαν) von Dionysios Solomos und entwickelte als griechischer Regierungsbeamter die neugriechische Stenografie.
Der Sohn eines bayerischen Juristen studierte 1828–1833 Jura und Philologie in Erlangen und München. Nach dem Abbruch seines Studiums meldete er sich 1833 als Freiwilliger zur leichten Kavallerie und später zum Schutzkorps des zukünftigen griechischen Königs Otto. Im bayerisch-griechischen Heer wurde Mindler zunächst zum Leutnant befördert; 1835/36 trat er in den griechischen Staatsdienst ein, wo er als Sekretär im Regentschaftsrat und im griechischen Kriegsministerium tätig war. 1840 heiratete Mindler die Griechin Eleni Eliaki-Renieris. Nach dem Verfassungsaufstand vom 3. September 1843 wurde er wie viele Ausländer aus dem Staatsdienst entlassen und zog mit seiner Familie nach Bayern. Für seine Verdienste um den griechischen Staat wurde er bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Ritterkreuz des griechischen Erlöserordens ausgezeichnet. Die Rückkehr nach Griechenland gelang ihm erst 1856, als er am Athener Polytechnikum (Βασιλικό Σχολείο των Τεχνών) eine Professur in Stenografie erhielt.
Dass Mindler auch in der Zwischenzeit eng mit Griechenland verbunden blieb, zeigt u. a. die Übersetzung der Hymne an die Freiheit, die er 1844 im Auftrag des griechischen Hofes anfertigte. Das bekannte Werk des ionischen Dichters Solomos war kurz zuvor durch dessen Landsmann Nikolaos Mantzaros vertont und die Partitur mit einer Widmung an König Otto versehen nach Athen geschickt worden. Da es nach dem Verfassungsaufstand von 1843 in Griechenland selbst an kompetenten Übersetzern mangelte, wurde das Werk über den bayerischen Hof an Mindler weitergeleitet, dessen deutsche Übersetzung die Grundlage für die Prüfung und spätere Auszeichnung der Partitur durch den griechischen Hof bildete. Bis heute unbekannt ist, warum diese Übersetzung zu Lebzeiten Mindlers unveröffentlicht blieb, zumal es sich um die erste vollständige deutsche Fassung der Hymne handelte, die 1865 in der Vertonung von Mantzaros die Grundlage für die griechische Nationalhymne bildete. Laut H.-B. Schlumm, der Mindlers Übersetzung 2010 gemeinsam mit A. Kertscher und K. Zervopoulos herausgab, ist hierfür nicht die Qualität der Übersetzung verantwortlich zu machen. „Denn Mindlers Nachdichtung, inspiriert von der deutschen Lyrik der Befreiungskriege und den Griechenlandgedichten Wilhelm Müllers, kommt in Rhythmus und Musikalität dem Original durchaus nahe“ (Schlumm, 2010, 112).
Einen weiteren bleibenden Verdienst erwarb sich Mindler aufgrund der von ihm entwickelten neugriechischen Stenografie. Die deutsche Stenografie hatte Mindler 1832 während seines Studiums bei deren Erfinder Franz Xaver Gabelsberger erlernt. Mindlers Applikation der Gabelsberger’schen Stenografie auf die neugriechische Sprache brachte ihm nicht nur 1856 eine Professur am Athener Polytechnikum ein, sondern ließ ihn 1862 auch zum Leiter des neu eingerichteten königlich-stenographischen Büros im griechischen Parlament werden. Mindlers dortige Tätigkeit wurde nach seinem Tod durch seine Söhne Ioannis (1842–1920) und Markos Mindler (1860–1967) fortgesetzt. An die Verdienste ihres Vaters erinnert bis heute eine Marmorbüste im griechischen Parlament.