Isidora Rosenthal-Kamarinea

  • Veröffentlicht 15.09.20
12.04.1918,
  • Piräus
— 04.03.2004,
  • Bochum
  • Hochschullehrerin
  • Neogräzistin
  • Publizistin
  • Übersetzerin

Die Neogräzistin Isidora Rosenthal-Kamarinea (1918–2004) gehörte als Hochschullehrerin, Publizistin und Übersetzerin neugriechischer Literatur zu den wichtigsten griechisch-deutschen Kulturvermittlerinnen der Nachkriegszeit.

Aufgewachsen in Piräus, besuchte Kamarinea bereits während ihrer Schulausbildung Sprachkurse an der Deutschen Schule von Athen. Nach dem Studium der klassischen Philologie, Byzantinistik, Neogräzistik, Geschichte und Philosophie an der Universität Athen erhielt sie 1942 vom Deutschen Wissenschaftlichen Institut Athen ein Stipendium zur Aufnahme eines Germanistik-Studiums an derselben Universität. Ab dem Wintersemester 1943 setzte sie ihre Studien an der Philipps-Universität Marburg fort, wo sie 1945 mit einer Dissertation zum Thema Die religiöse Dichtung Neugriechenlands promoviert wurde. In den folgenden zwei Jahrzehnten war sie an dieser Universität als Dozentin für mittel- und neugriechische Sprache und Literatur tätig, bis auf ihre Initiative 1965 ein eigener Lehrstuhl für Byzantinische und Neugriechische Philologie an der neugegründeten Ruhr-Universität Bochum eingerichtet wurde. Nach ihrer Emeritierung war sie ab 1984 als Honorarprofessorin für Neuere Griechische Literatur erneut an der Universität Marburg tätig.

Neben ihrer Arbeit als Hochschullehrerin entfaltete Rosenthal-Kamarinea ein umfassendes Spektrum publizistischer Tätigkeiten. Hierzu gehörte seit 1966 die Redaktion der 1964 ins Leben gerufenen Zeitschrift Hellenika, die ab 1973 als Jahrbuch fortgeführt wurde; zwischen 1975 und 1999 die Herausgabe der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift Folia Neohellenica; sowie 1974 die Begründung der Schriftenreihe Bochumer Studien zur Neugriechischen und Byzantinischen Philologie. Zudem veröffentlichte sie eine Vielzahl von Artikeln über die neugriechische Literatur in renommierten Nachschlagewerken wie Gero von Wilperts Lexikon der Weltliteratur, der Brockhaus-Enzyklopädie und im Griechenland-Band des Südosteuropa-Handbuchs (1980).

Ebenso groß wie ihre wissenschaftlichen Verdienste sind Rosenthal-Kamarineas Verdienste als Übersetzerin zwischen der griechischen und deutschen Literatur. Den Auftakt dieser Tätigkeit bildeten ihre Übersetzungen aus der Lyrik Rilkes und C. F. Meyers, die 1941–43 in der griechischen Zeitschrift Nea Estia (Νέα Εστία) erschienen. Eine weitaus bedeutendere Rolle spielte Rosenthal-Kamarinea in der Nachkriegszeit als Übersetzerin neugriechischer Literatur ins Deutsche. Mit der Anthologie Neugriechische Erzähler (1958), die bis in die 1980er Jahre wiederholt überarbeitet und neu aufgelegt wurde, prägte sie ebenso das literarische Griechenlandbild des deutschen Publikums wie durch ihre Übersetzungen bekannter griechischer Prosaschriftstellter (Kazantzakis, Prevelakis, Terzakis, Venezis) und Lyriker (Elytis, Seferis, Ritsos, Vrettakos).

Auch jenseits ihrer wissenschaftlich-literarischen Tätigkeiten spielte Rosenthal-Kamarinea eine wichtige Rolle im deutsch-griechischen Dialog. So wirkte sie seit 1966 als Vorstandsmitglied, seit 1976 als Vizepräsidentin und schließlich seit 2003 als Ehrenpräsidentin der Vereinigung der Deutsch-Griechischen Gesellschaften. Während der griechischen Obristenherrschaft (1967–1974) setzte sie sich in Rundfunksendungen, Übersetzungen griechischer Widerstandsliteratur, Vorträgen und Veranstaltungen für die Wiederherstellung der Freiheit und Demokratie in Griechenland ein. 1978 wurde ihr für den Schutz jüdischer Verfolgter während des Zweiten Weltkriegs das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Gegenüber diesen Leistungen ist aber auch auf die „äußerst vorsichtige Erinnerungsarbeit“ der Neogräzistin hingewiesen worden, die eine „direkte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des eigenen Faches“ während der Zeit des deutschen Nationalsozialismus stets vermied (Pechlivanos, 2015, 365–366).

Verwendete Literatur

Zitierweise

Marco Hillemann: «Isidora Rosenthal-Kamarinea», in: Alexandros-Andreas Kyrtsis und Miltos Pechlivanos (Hg.), Compendium der deutsch-griechischen Verflechtungen, 15.09.20, URI : https://comdeg.eu/artikel/94646/.