Friedrich Wilhelm Thiersch (1784–1860), auch gräzisiert Ειρηναίος Θείρσιος, war ein deutscher Philologe, Pädagoge und Philhellene, der sich besondere Verdienste um die politische Unterstützung des griechischen Freiheitskampfes sowie um die beiderseitigen Verflechtungen in Bildung und Wissenschaft erwarb.
Nach theologischen und philologischen Studien an den Universitäten Leipzig und Göttingen lebte Thiersch seit 1809 dauerhaft in München, wo er zunächst als Gymnasiallehrer, seit 1826 als klassischer Philologe an der Ludwig-Maximilians-Universität tätig war. Als „Praeceptor Bavariae“ war er in Bayern maßgeblich an der Begründung der philologischen Studien und an der neuhumanistischen Reformierung des Schulwesens beteiligt. 1848–1858 war er Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Mit der Kultur des modernen Griechenland soll Thiersch bereits 1808 in Berührung gekommen sein, als er in Göttingen mit Werner von Haxthausen neugriechische Volkslieder sang (vgl. Kirchner 1996, 169). Mit dem 1813 veröffentlichten Vortrag Darstellung der Fortschritte der philologischen Wissenschaften. ‚Die Neugriechen‘ verlieh er diesem Interesse erstmals öffentlich Ausdruck. In den folgenden Jahren knüpfte Thiersch enge Kontakte zum Wiener Herausgeberkreis der griechischen Zeitschrift Ερμής ο Λόγιος (Der gelehrte Hermes), wurde Mitglied der Φιλόμουση Εταιρεία (Gesellschaft der Philomusen), lernte den späteren griechischen Präsidenten Ioannis Kapodistrias sowie die gelehrten Griechen Anthimos Gazis, Adamantios Korais und Andreas Moustoxidis kennen, deren Aufnahme in die Bayerische Akademie der Wissenschaften er veranlasste. Ebenfalls noch vor 1821 richtete er in seiner Wohnung eine Lehranstalt für junge Griechen ein und erwirkte für diese die Erlaubnis, die Münchener Schulen und das Lyzeum zu besuchen.
Seit 1821 gehörte Thiersch als Vorsitzender des Münchener Griechenvereins zu den aktivsten deutschen Unterstützern des griechischen Freiheitskampfes, regte die Gründung einer deutschen Legion zur militärischen Unterstützung der Griechen an und erreichte mit seinen philhellenischen Artikeln in der Augsburger Allgemeinen Zeitung und dem Morgenblatt für gebildete Stände eine breite deutsche Öffentlichkeit. Nach der Thronbesteigung des bayerischen Königs Ludwig I. (1825) wurde Thiersch u. a. damit beauftragt, dessen Sohn Otto auf das griechische Königsamt vorzubereiten. Als Teil dieser Vorbereitungen ist womöglich auch seine Reise nach Griechenland in den Jahren 1831/32 zu sehen (vgl. Σολωμού, 1988, 331; anders Kirchner, 2010, 182f.), während der er sich neben seinen archäologischen Unternehmungen aktiv in die Politik des Landes einmischte. Vor dem Hintergrund seines philhellenischen Engagements und seiner liberalen Ansichten ist Thiersch auch mit dem anonymen Übersetzer von Alexandros Soutsos‘ gesellschaftskritischem Roman Der Verbannte von 1831 (Ο Εξόριστος του 1831, ersch. 1835) identifiziert worden, der 1837 in einer deutschen Fassung erschien (vgl. Dimadis, 2010).
Als Bildungspolitiker war Thiersch in den folgenden Jahren maßgeblich am Aufbau des griechischen Bildungs- und Wissenschaftswesens beteiligt. In diesen Zusammenhang gehören u. a. die Erstellung von Unterrichts- und Lehrplänen, sein Beitrag zur Konzeption der Athener Universität sowie der zu Lebzeiten nicht realisierte Plan für die Einrichtung einer Hellenischen Akademie der Wissenschaften nach bayerischem Vorbild. Auf der anderen Seite nahm Thiersch aktiv Einfluss auf die Gestaltung des 1826 eingerichteten Griechischen Lyzeums in München, für das er seit 1832 die Lehrpläne entwarf, und betätigte sich als bedeutender Förderer der griechischen Studenten in München.
In München ist heute die Thierschstraße, in Athen die Thirsiou-Straße (Οδός Θειρσίου) nach ihm benannt.