Die Essays des Compendiums gliedern sich in Mikrogeschichten (narrative Detailuntersuchungen und Fallanalysen), Makrovorgänge (Praktiken und Netzwerke, Policies und Strukturen), Metanarrative (Konzepte, Deutungsmodelle, Stereotype) und Präsentationen (etwa Projektvorhaben bzw. Rezensionen).
Die enzyklopädischen Artikel liefern Kurzporträts von Personen, Institutionen, Medien, Objekten und Orten der deutsch-griechischen Verflechtungen.
In den Dossiers werden ausgewählte Essays und Artikel so zusammengebracht, dass sie eine kompakte Übersicht über bestimmte thematischen Schwerpunkte geben.
Neue Essays
Die Sternwarte Athen zur Zeit der „Bayernherrschaft“
Die Gründung der Athener Sternwarte steht in Zusammenhang mit der Integration des neugegründeten griechischen Staates in die europäische Moderne. Jede bedeutende Stadt Euro-pas war es sich im 19. Jahrhundert schuldig, über eine Sternwarte zu verfügen, die die genaue Uhrzeit festlegte und symbolisch die Wissenschaft repräsentierte. Die Athener Sternwarte hatte von Anfang an die deutsche Astronomie zur Basis, was hauptsächlich auf besondere Konstellationen zurückging: Von dem griechisch-österreichischen Baron von Sina finanziert, vom griechisch-österreichischen Astronomen Vouris geleitet, wurde sie unter Hinzuziehung des deutschen Astronomen Heinrich Christian Schumacher als Berater von den Architekten Eduard Schaubert und Theophil Hansen (der eine Deutscher, der andere Däne) entworfen. Die ästhetisch-ideologischen Vorgaben für das Sternwartengebäude orientierten sich am vom bayerischen Hof protegierten und beförderten Neoklassizismus. Das Instrumentarium für die Sternwarte stammte vornehmlich aus Österreich, während die Forschungsarbeiten aus dieser Zeit auf deutsch in der deutschen Zeitschrift Astronomische Nachrichten publiziert wurden. Nach Vouris’ Weggang leitet der Deutsche Julius Schmidt die Sternwarte und setzte damit die engen Beziehungen zu Deutschland fort.
Übersetzung aus dem Griechischen: Joachim Winkler
Der Brecht der Linken und der Dichtung im Griechenland der 50er Jahre
Die Studie bietet einen Überblick über die Brechtrezeption am griechischen Theater der 1950er Jahre und die Auswirkungen, die dies kulturelle Ereignis auf die griechisch-deutschen Verflechtungen zeitigte. Sie stellt dabei die Inszenierung des Kaukasischen Kreidekreises durch Karolos Koun von 1957 als Schlüsselereignis in den Mittelpunkt und gliedert es in den historischen und kulturellen Kontext dieser Tage ein. Die grundsätzliche hermeneutische Linie der Studie ist an der Antinomie innerhalb der griechischen Intelligenz, nämlich zwischen der politischen Dimension Brechts und seiner überlegenen Ästhetik, d.h. zwischen dem Linken Brecht und dem Poeten Brecht festgemacht. Auf der Ebene der griechisch-deutschen Beziehungen wird den politischen und kulturellen bzw. kulturpolitischen Verbindungen Griechenlands mit West- und Ostdeutschland sowie der Einwirkung dieser internationalen Kontakte auf die Brechtrezeption in Griechenland nachgegangen. Die Studie zeigt die gemeinsamen Schnittmengen zwischen der einheimischen Linken und den kulturpolitischen Ambitionen Ostdeutschlands und macht daneben darauf aufmerksam, wie die politischen und ästhetischen Desiderate, die die Brechtrezeption ins Leben rief, mit breiter gelagerten sozialpolitischen Dimensionen der Nachkriegszeit korrespondierte. Schließlich wird ein Überblick über die Vielfalt der Facetten und Ausformungen Brechts und der Brechtrezeption in Griechenland von der Moderne bis zur Postmoderne bereitgestellt.
Übersetzung aus dem Griechischen: Joachim Winkler
Ein „Werther in Foustanella“. Panajotis Soutsos: Leandros
Gegenstand dieser Mikrogeschichte ist Panajotis Soutsos‘ Briefroman Leandros, der, wenn nicht der erste, jedenfalls einer der ersten Romane ist, die im befreiten Griechenland veröffentlicht wurden. Im Essay wird der Text in seinen historischen Rahmen eingebettet und als Konsequenz der Tradition interpretiert, zu der er gehört. Der Briefroman Leandros, den Panajotis Soutsos 1834 in Nafplio veröffentlichte, ist ein bedeutendes Zeugnis der Schwierigkeiten, mit denen die neugriechische Nation in ihrem Versuch konfrontiert war, ihre Identität, gestützt auf die europäische kulturelle Tradition, zu konstruieren. Diese Schwierigkeiten behandelt unter anderem der vorliegende Essay. Darüber hinaus untersucht er die metaphysische Dimension, die die Nation und König Otto in dem Text erhalten, und betont gleichzeitig Soutsos‘ europäische Vorbilder, konkret seine Beziehung zu Goethes Werther, die in vielerlei Hinsicht den Handlungsstrang bestimmen.
Übersetzung aus dem Griechischen: Ulf-Dieter Klemm
Neue Artikel
Wilhelm Wagner
Wilhelm Wagner (1843–1880) war ein deutscher Philologe und Pädagoge mit Forschungsschwerpunkt im Bereich der mittelgriechischen Literatur sowie Herausgeber und Übersetzer neugriechischer LiterPaul Mitzschke
Paul Gottfried Mitzschke (1853–1920) war ein deutscher Historiker, Archivar und Übersetzer neugriechischer Literatur. Nach dem Studium der Philologie und Geschichte in Leipzig, Göttingen unNonna Nielsen-Stokkeby
Luise Anna Hertha, genannt Nonna Nielsen-Stokkeby (1918–2003), geb. Katterfeld, war als Mitarbeiterin von Danae Coulmas an mehreren deutschen Übersetzungen aus der griechischen Literatur beteiligt.Neue Dossiers
Die deutsch-griechischen Verflechtungen zur Zeit König Ottos
In keiner Phase der jüngeren und jüngsten Geschichte Griechenlands hat die Einführung staatlicher Institutionen zu einer vergleichbaren gesellschaftlichen und kulturellen Transformation beigetragen wie in den drei Jahrzehnten unter der Herrschaft von König Otto.
Die deutschen Philhellenismen
Das Dossier umfasst verschiedene Felder der deutsch-griechischen Verflechtungen, die bislang für gewöhnlich unter dem einheitlichen Begriff des deutschen Philhellenismus (bzw. des Mishellenismus) subsummiert wurden. Den ersten Angelpunkt der Konferenz bildet die Neubewertung der Rezeptionen von 1821 in den deutschsprachigen Ländern und die Mobilisierung, die sie in Verbindung mit den politischen Bewegungen nördlich der Alpen hervorriefen. In diesen Bewegungen waren freilich von vornherein eine politische und eine kulturelle Komponente miteinander verflochten, die politische Bewegung des Philhellenismus und die aus der einschlägigen Literatur bekannte „Tyrannei Griechenlands über Deutschland“. Selbstverständlich darf die Rolle der griechischen Gemeinden des deutschsprachigen Raumes in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden. Den zweiten Angelpunkt bildet die Untersuchung der Transformationen, die diese politisch-kulturelle Verflechtung in den 200 Jahren nach dem Ausbruch der Griechischen Revolution erfuhr.
Deutsch-griechische Verflechtungen vom Deutschen Kaiserreich bis zum Einmarsch der Wehrmacht in Griechenland
Die Sehnsucht der gebildeten Deutschen nach dem, was sie als die Wiege ihrer persönlichen und gesellschaftlichen Identität ansahen, blieb auch in diesen Jahren unvermindert, während sich die Griechen, die auf dem Wege der Bildung zu gesellschaftlicher Reputation gelangen wollten, hauptsächlich (wenn auch nicht ausschließlich) durch die Augen der Deutschen sahen.
