Die bayerische Erinnerungskultur an die Ottonische Herrschaft

  • Veröffentlicht 07.09.20

Wie wird heute die Erinnerung an die Zeit Ottos gepflegt? Welche Denkmäler gibt es? Wie wird Otto in der bildenden Kunst, Volkskunde, Musik und Werbung gesehen? Wie wird Otto in den Medien beurteilt? Wie bewahrt das Otto König von Griechenland Museum die Erinnerung an Otto?

Inhalt

    Einleitung

    Otto König von Griechenland war innenpolitisch überaus erfolgreich. Wo keinerlei staatliche Strukturen bestanden, wurden ab 1833 die Grundlagen der Verwaltung, des Rechts-, Gesundheits- und Finanzwesens geschaffen. Schulen und die Universität wurden gegründet. Damit schuf Otto die Basis des heutigen griechischen Staates. Außenpolitisch blieb er erfolglos. Sein Königreich umfasste nur etwa ein Drittel des heutigen griechischen Staatsgebietes. Es gelang Otto nicht, den großen Traum der „Megali Idea“ zu erfüllen: alle noch unter osmanischer Herrschaft lebenden Griechen in seinem Königreich zu vereinen. Da obendrein die Thronfolge ungeklärt war, musste Otto 1862 Griechenland verlassen.

    Denkmäler, die an Otto König von Griechenland erinnern

    Das früheste Denkmal, das an die Gründung des modernen Griechenlands und an König Otto erinnert, ist die Ottosäule in Ottobrunn, errichtet im Februar 1834. Sie erinnert an den Aufbruch des neugewählten Königs Otto von Griechenland am 6. Dezember 1832 zu seiner Fahrt nach Griechenland und an den Abschied von seinem Vater König Ludwig I., der ihn bis zu dieser Stelle begleitet hatte (Abb. 1).

    Es gliedert sich in mehrere Teile:
    –        Das würfelförmige Podest mit einem ruhenden Löwen davor
    –        Die reich reliefierte Säulenbasis
    –        Die dorische Säule und
    –        Die Büste Ottos: Der jugendliche König ist idealisierend dargestellt. Er trägt ein an die Antike erinnerndes Gewand.

    Alle vier Seiten des würfelförmigen Podestes zeigen Inschriften:

    An der Straßenseite der Säule:

    DER ERINNERUNG
    AN DIE ABSCHIEDS-STUNDE
    KÖNIGS OTTO I. VON GRIECHENLAND
    VON SEINEM ERHABENEN VATER
    LUDWIG I. KÖNIG VON BAYERN
    AM VI. DEZEMBER MDCCCXXXII

    An der der Rückseite der Säule:

    BEGLEITET ZU SEINER THRONBESTEIGUNG
    VON DEN REGENTSCHAFTSMITGLIEDERN
    GRAF VON ARMANSPERG, V.MAURER, V.HEIDECK, V.ABEL,
    UND DEN DEPUTIRTEN GRIECHENLANDS
    AND. MIAULIS, COST. BOZZARIS, D.K. PLAPOUTAS.

    An der München zugewandten Nordseite das Gedicht:

    ZUM ABSCHIED HAT DIE STUNDE HIER GESCHLAGEN
    VOM VATERHERZ IM THEUREN VATERLAND.
    DIE DEUTSCHE BRUST HIN ZUM ALTAR ZU TRAGEN
    HINAN ZUM GROSSEN MORGENOPFERBRAND.
    MIT GOTT NUN MUTHIG AUF ZUM GRIECH’SCHEN STRANDE.
    HEIL HELLAS! HEIL ERKOR’NER KÖNIG DIR!
    BIST DU AUCH FERN VON DEINEM VATERLANDE
    IN LIEB UND TREUE DENKEN DEINER WIR.

    An der Griechenland zugewandten Südseite ein entsprechendes Gedicht:

    VOM FLUCHE FREIGESPROCHEN IST DER SCLAVE,
    DEN TYRANNEI SCHLUG IN DAS TÜRKENJOCH.
    GEWECKT IST EINE WELT AUS IHREM SCHLAFE,
    BEFREIUNG SCHWINGT DES SIEGES PALME HOCH.
    IN HELLAS ZIEH’N ERFREUTE MILLIONEN
    HOCHJAUCHZEND DEM JAHRHUNDERT OTTO’S ZU.
    SIE LEBEN NUN IM BUCHE DER NATIONEN,
    BEGLÜCKT DURCH EINTRACHT, SICHERHEIT UND RUH.

    Die beiden Gedichte sind der Überlieferung nach von König Ludwig verfasst. Sie thematisieren einerseits den Abschied des jungen Königs, vor allem aber die Hoffnungen, die mit dem Aufbau des neuen Staates verbunden waren. Mit den Worten EINTRACHT, SICHERHEIT UND RUH wird eindrucksvoll sinngemäß der gleiche Wunsch ausgedrückt, den unsere deutsche Nationalhymne in ihrem Beginn mit den Worten: EINIGKEIT und RECHT und FREIHEIT formuliert.

    Ein weiteres Erinnerungsmal an die Fahrt Ottos nach Griechenland ist das Theresienmonument in Bad Aibling: „Zur Erinnerung des Abschiedes ihrer Majestät der Königin Therese von ihrem viel geliebten Sohn Otto I. König von Griechenland“ (Abb. 2). Es ist an jener Stelle errichtet, an der sich Otto von seiner Mutter, der Königin Theresie, am frühen Abend des 6. Dezember 1832 verabschiedet hatte.

    Das Theresienmonument ist in der Form einer gotischen Fiale, jenes türmchenförmigen Aufbaus am Ende der Strebbögen über den Seitenschiffen gotischer Kathedralen, errichtet. An seinen vier Ecken trägt es vier kleinere Fialen, die mit Krabben verziert und mit Kreuzblumen gekrönt sind. Im Sockel des Monuments befinden sich insgesamt acht in Erz gegossene Wappen der bayerischen Kreise. In einer Nische auf der Vorderseite steht eine Mutter-Gottes-Statue aus Bronze: ein Hinweis auf die Verbindung der Mutter Maria, die ihren Sohn verlieren wird mit der bayerischen Königin, die sich von ihrem Sohn trennen muss. Der Entwurf zu dem Denkmal stammt von Friedrich von Ziebland.

    Vor seiner weiteren Fahrt hatte der junge König Otto am Abend des 6. Dezember 1832 beim Überschreiten der Grenze von Bayern nach Tirol geschlafen. Dies hatte ihn am nächsten Tag so bewegt, dass er am darauffolgenden Morgen von Kufstein zurückeilend noch einmal auf bayerischem Boden von seinem Vaterland Abschied genommen hat. Zur Erinnerung an dieses Ereignis wurde die Ottokapelle in Kiefersfelden errichtet (Abb. 3). Die einschiffige dreijochige Kapelle, die von einem 3/8 Chor abgeschlossen wird, wurde nach einem Entwurf des königlichen Bauinspektors Josef Daniel Ohlmüller erbaut.

    Diese drei Denkmäler erinnern an Ottos Abschiedsfahrt von Bayern nach Griechenland. Sie haben einen einheitlichen programmatischen Gedanken, bei dessen Gestaltung König Ludwig I. von Bayern mitgewirkt hat: Die Ottosäule in Ottobrunn mit ihren Steinmetzornamenten ist ein Hinweis auf die klassische Antike, getragen vom Geist des Philhellenismus. Das Theresienmonument hingegen in gotischem Stil weist auf die christliche Kunst des deutschen Mittelalters hin. Die Ottokapelle bei Kiefersfelden greift diese Symbolik auf:

    Der Abschied vom Vaterland ist zugleich der Abschied von seinen christlichen Traditionen (…). Die drei Erinnerungsmale bilden gewissermaßen das Vorspiel zu dem ehrgeizigen Griechenland-Programm, das König Ludwig zu einer der vorrangigen Aufgaben der öffentlich geförderten Kunst in Bayern erkoren hatte. Ihren Höhepunkt fand die mit Otto verbundene Griechenland-Thematik schließlich in der Errichtung der Propyläen auf dem Münchner Königsplatz, in deren skulpturalem Programm die griechisch-klassische Version der Otto-Ikonographie ihre Gestaltung fand. (Röttgen, 1980, 41)

    1836 besuchte Otto bei einem Aufenthalt in Bayern, gemeinsam mit seiner zukünftigen Frau Amalie und seiner Mutter Therese die Stadt Hof (die ihre Gartenanlage seitdem Theresienstein nennt). Auf ihrem Weg dorthin besuchten sie auch das Felsenlabyrinth Luisenburg bei Wunsiedel. Mit einer in einen Findling eingemeißelten Inschrift: Therese Otto Amalie anno 17. August 1836 ist ihr Besuch am 17. August 1836 festgehalten. Dies kleine Denkmal dokumentiert die erste Begegnung von Otto mit seiner späteren Frau Amalie, Prinzessin von Oldenburg, die er am 22. November 1836 in Oldenburg heiratete (Abb. 4).

    Ein bemerkenswertes Denkmal für König Otto befindet sich in Karlsbad in Tschechien, die König-Otto-Höhe. Otto hat Karlsbad insgesamt fünf Mal besucht: 1836, 1852, 1856, 1864 und 1865.

    Dieser Ort war ein beliebtes Ziel der königlichen Spaziergänge. Mit der Zustimmung des Königs wurde am 8. September 1852 die Orientierungshöhe 602 m ü. d. M., neben dem Dreikreuze Gipfel, auf Ottos Anhöhe umbenannt. Auf dem Gipfel der Anhöhe wurde eine kannelierte Granitsäule aufgestellt, welche mit einem Abakus und einer Kugel ihren Abschluss fand. Auf der Kugel befand sich ein vergoldetes Hexagramm in der Form eines Sterns. Die Säule stand auf einem rechtwinkligen stufenförmigen Sockel und war 5 m hoch. Sie trug eine Überschrift: Otto I. König von Griechenland. Der Urheber dieses Denkmals ist nicht bekannt. Während des dritten Besuchs des Königs Otto wurde die Anhöhe in seiner Gegenwart am 9. August 1856 feierlich eingeweiht.“ (nach dem Text auf der dreisprachigen – tschechischen-deutschen-englischen- Hinweistafel vor dem Denkmal.) (Abb. 5). Das Denkmal war nach 1959 durch Vandalismus zerstört worden. „Die Kurwälder haben das Denkmal im Jahr 2008 mit der Unterstützung der Stadt und des Landkreises Karlsbad wiederaufgebaut. (Hinweistafel)

    Zwei weitere Erinnerungen an Otto verbinden sich mit seinen Aufenthalten in Karlsbad: 1836 erteilte Otto auf Antrag des bayerischen Bergrates Andreas Edler und Ritter von Dippel, der Otto in Karlsbad aufgesucht hatte, dem Schwefelbad Bad Wiesau die Berechtigung, die Bezeichnung Otto-Bad zu führen. Noch heute wird hier der „König Otto Sprudel“ hergestellt und mit dem Namen Ottos geworben. Das ehemalige Bad Gieshübel bei Karlsbad, heute Kyselka, am Fuße des Erzgebirges gelegen, wurde ab 1853 Otto-Quelle genannt. Das letzte große Denkmal in Bayern, das dem griechischen Freiheitskampf und König Otto von Griechenland gewidmet ist, sind die Propyläen am Münchner Königsplatz. Sie sind von Leo von Klenze entworfen und zitieren antike Bauwerke in Athen. In ihrem Giebeldreieck tragen sie ein Figurenfries, in dessen Mitte die große ganzfigurige Statue von Otto König von Griechenland steht, die von Ludwig von Schwanthaler entworfen wurde (Abb. 6). Fertiggestellt wurde das Denkmal 1862, zur gleichen Zeit, als König Otto und Königin Amalie nach einem unblutigen Aufstand Griechenland verließen.

    Nach ihrer Rückkehr aus Griechenland erhielt das griechische Königspaar von Ottos Bruder, dem regierenden König Maximilian II. von Bayern die Anweisung, ihre Hofhaltung nach Bamberg zu verlegen. Offiziell bezogen sie am 7. Juli 1863 die ehemalige fürstbischöfliche Neue Residenz in Bamberg (Abb. 7). Die Räume, die das Königspaar dort bewohnt hatte, sind museal gestaltet und geben einen lebendigen Eindruck von der „griechischen Hofhaltung“, die das Königspaar dort pflegte. Am Eingang zum Rosengarten wurden vor einigen Jahren zwei Bronzetafeln mit den Portraits von Otto und Amalie angebracht.

    In der Theatinerkirche in München befindet sich der Sarkophag von König Otto von Griechenland. Der Sarkophag Ottos trägt in griechischer Sprache die Inschrift:

    Otto I.
    König von Griechenland
    Prinz von Bayern
    Geboren 1. Juni 1815, gestorben 26. Juli 1867

    Auf der Stirnseite findet sich, umgeben von einem hermelingefütterten, königlich gekrönten Purpurmantel, das griechische Majestätswappen, gehalten von zwei gekrönten, einwärts blickenden Löwen. Dieser Sarkophag ist ein zentraler Erinnerungsort an Otto. Er ist ein Ort der Verehrung. Hier haben immer wieder griechische Politiker Kränze niedergelegt und König Otto ihre Anerkennung erwiesen, so der frühere Ministerpräsident Marschall Alexandros Papagos (1883-1955). Er stand 1954 an den Särgen von Otto und Amalie in der Krypta der Münchner Theatinerkirche. Bei einer Kranzniederlegung sagte er:

    König Otto, der Sohn des durch sein Philhellenentum bekannten bayerischen Königs Ludwig I., war die große Persönlichkeit, die im vergangenen Jahrhundert inmitten internationaler Spannungen und Wirren unsere beiden Völker einte. Er schuf die Grundlagen des griechischen Staates, auf denen das heutige Griechenland ruht. (…) König Otto träumte von einem großen Griechenland. Wie wäre er glücklich, wenn er erfahren würde, dass Bayern und Griechen eines Tages ein gemeinsames Vaterland, nämlich Europa, haben werden.(Seidl, 1981, 314).

    Anlässlich eines bayerisch-griechischen Gedenkens an Ottos 150. Todestag am 26. Juli 2017 legten der Erzpriester Apostolos Malamoussis, Herzog Franz von Bayern und der erste Bürgermeister von Ottobrunn, Thomas Loderer an Ottos Sarkophag einen Kranz nieder (Abb. 8).

    Weitere bayerische Erinnerungsorte an die Zeit Ottos in Griechenland sind:
    1.      Die auf Anregung des Otto-König-von-Griechenland-Museums an der Geburtsstätte Ottos im Schloss Mirabell in Salzburg angebrachte Tafel, die die Erinnerung an Ottos Geburt am 1. Juni 1815 bewahrt. Damals gehörte Salzburg zu Bayern.
    2.     Zwei von Leo von Klenze entworfene Grabstätten auf dem alten Südlichen Friedhof in München. Sie erinnern an zwei Griechen, die im Dezember 1832 im Gefolge der griechischen Deputierten waren, die Otto im Namen der griechischen Nationalversammlung die Krone antrugen. Sie starben in München an der Cholera.
    3.      Das Denkmal in Passau, das in Form eines spitz auslaufenden gotischen Türmchens mit griechischen Inschriften an Ignaz von Rudhart (1790-1837) erinnert. Er war als Nachfolger des Grafen Armansperg 1837 unter Otto Ministerpräsident von Griechenland.

    Die Erinnerung an König Otto in Griechenland und die Anerkennung, die er dort aktuell erfährt, dokumentiert die überlebensgroße bronzene Statue Ottos in Nauplia, die ihn in ganzer Figur darstellt. Sie wurde geschaffen von dem Athener Bildhauer Nikolaus Dogoulis und wurde 1995 in einem Festakt von Ottobrunns erster Bürgermeisterin Prof. Dr. Sabine Kudera und Nauplias Bürgermeister Georgios Tsournos enthüllt.

    Erinnerungen an Otto in der bildenden Kunst

    Schon bald, nachdem auf der Londoner Konferenz vom 7. Mai 1832 und der dann folgenden Zustimmung der Griechischen Nationalversammlung Otto als König von Griechenland eingesetzt worden war, gab sein Vater, König Ludwig von Bayern, bei seinem Hofmaler Joseph Stieler ein Portrait des jungen Königs in Auftrag. Dies Bild befindet sich heute im Schloss Nymphenburg. Wohl auf Wunsch Ottos wurde 1833 ein zweites Exemplar des Bildes erbeten, das in Stielers Atelier von seinem Neffen Friedrich Dürck ausgeführt wurde. Dieses Portrait ist heute ein zentraler Bestandteil des Museums Ottobrunn (Abb. 9).

    Außerhalb von Bayern finden sich eindrucksvolle Erinnerungen an Otto in der Heimat seiner Frau, der Prinzessin Amalie von Oldenburg, in Oldenburg, im Schloss Eutin und in Rastede. Eine europäische Würdigung findet Otto in dem überlebensgroßen Gemälde von 1856 von Friedrich Dürck, das im Auftrag von König Oskar I. von Schweden in der Galerie europäischer Könige im Schloss Drottningholm im „Salle des Contemporains“ bei Stockholm ausgestellt ist (Abb. 10). Dürck vollendete das Portrait in Abwesenheit des Königs nach Photovorlagen, nach der im gleichen Jahr nach dem Leben modellierten Büste Johann Halbigs (1814-1882) sowie der ihm zur Verfügung gestellten griechischen Nationaltracht des Königs. Es hat die Maße 253 x 140 cm und ist bezeichnet: FDürck 1856.

    Ottos Vater, König Ludwig I. von Bayern, hatte größten Wert darauf gelegt, die Ereignisse, die zum Aufbau des neuen Griechenlands führten, in Gemälden festzuhalten. Er beauftragte den Maler Peter von Hess, Otto auf seiner Fahrt nach Griechenland zu begleiten, um die Erinnerung an dieses bedeutende Ereignis auch in München anschaulich zu machen. Der triumphale Einzug Ottos in Nauplia am 6. Februar 1833 wurde von Peter von Hess vor Ort genau aufgenommen (Abb. 11). 37 Personen sind in Portraits exakt dargestellt. König Otto selbst reitet im Vordergrund des Bildes, als Hauptperson herausgehoben, auf das von Mauern umgebene Nauplia zu, umjubelt von den Griechen, die ihn begeistert begrüßen.

    Auch als Skulptur ist das Bild Ottos von den bedeutendsten Bildhauern seiner Zeit ausgeführt worden, so in der Büste von Josef Unold auf der Ottosäule in Ottobrunn oder in der Büste des Bildhauers Enrico Franzoni, 1835 im Schloss Hohenschwangau. Hier soll exemplarisch die 2005 im Kunsthandel aufgetauchte, bis dahin völlig unbekannte Marmorbüste Ottos, signiert von dem Schweizer Bildhauer Heinrich Max Imhof, vorgestellt werden. Sie wurde 1838 in Athen entworfen und 1840 in Rom in Marmor ausgeführt (Abb. 12). Sie erinnert an Otto als jungen König, der zu dieser Zeit angeregt hatte, in Athen eine Kunstakademie aufzubauen, deren Leitung der Bildhauer Heinrich Max Imhof hatte übernehmen sollen.

    Erinnerung an Otto in der Volkskunst

    Volkstümliche Darstellungen mit dem Portrait Ottos finden sich auf biedermeierlichen Gebrauchsgegenständen des Münchner Bürgertums wie z. B. auf prächtigen Tassen oder bemalten Tabakspfeifen mit Szenen von Otto in Griechenland. Bemerkenswert ist sein Porträt als Hinterglasbild aus Oberammergau von 1833 (Abb. 13). Auch jetzt sind die Erinnerungen an Otto immer wieder die Vorlage für volkstümliche Hinterglasmalerei, wie das Hinterglasbild der Ottosäule von 1977 zeigt (Abb. 14). Schützenvereine, so die königlich privilegierte Schützengesellschaft Mainbernheim oder die Schützengesellschaft Tegernsee stellen Szenen mit Otto in Griechenland dar oder auch König Otto selber, so wie auf der hier dargestellt Schützenscheibe „Ottos Glück“ (Abb. 15). Votivbilder, so in Schongau und in Deggendorf, berichten von der glücklichen Heimkehr der bayerischen Soldaten. Auf einer „Dankessäule“ in Oberlaindern südlich von München wird die „Erinnerung an die heimkehrenden Soldaten 1843 vom Feldzug mit König Otto von Griechenland“ festgehalten (Abb. 16).

    Volksmusik

    Die Erinnerung an Otto in der Volksmusik, in Liedern, Gstanzeln und Instrumentalstücken hat das Ottobrunner Otto-König-von-Griechnland-Museum gemeinsam mit dem Volksmusikarchiv des Bezirks Oberbayern gesammelt und auf einer CD „Bayerische Geschichte im Lied: Bayern und Griechenland“ herausgegeben (Abb. 17). Vor allen die ersten Jahre von Ottos Regierungszeit fanden in Bayern eine besondere Beachtung. Diese Zeit klingt in Volksliedern nach: Im Rückblick wird der griechische Freiheitskampf besungen und die damals auch medial geschürte Griechenland-Begeisterung in Bayern fand natürlich ihren Niederschlag in Propagandaliedern, z. B. zur Gewinnung von Freiwilligen. Huldigungsgedichte, nachdenkliche Abschiedslieder der Soldaten, und Musikstücke, die besonderen Ereignissen und Personen im griechischen Freiheitskampf und König Otto gewidmet sind, erinnern an die damalige Stimmung.

    König Otto in der Werbung

    Bis heute ist Otto in Bayern als Werbefigur präsent: Schokolade wird als König Otto Taler verkauft, eine amerikanische Firma wirbt sogar mit Otto für türkischen Kaffee. Bad Wiesau in der Oberpfalz wirbt mit dem König Otto Sprudel aus der König Otto Quelle (Abb. 18). Die Schlossbrauerei Kaltenberg lässt Otto in griechischer Nationaltracht nach der Vorlage einer Lithographie von Gustav Kraus von 1839 auf einem Bierdeckel für Weißbier werben (Abb. 19).

    Erinnerungen an Otto in den Medien

    Gerade im Zusammenhang mit den Diskussionen über die Haushaltssituation Griechenlands in den vergangenen Jahren wurde in Reportagen und Zeitungsberichten häufig auf die Zeit König Ottos zurückgeblickt. In der Regel sind solche Darstellungen ausgewogen, doch kommt es auch vor, dass die 30 Jahre seiner Regierungszeit recht einseitig beschrieben werden. Es ist dann vom „griechischen Abenteuer“ und vom „Scheitern“ die Rede, oft mit herabsetzenden Schlagzeilen – so in der Süddeutschen Zeitung beim Text zu seinem 200. Geburtstag am 1. Juni 2015. Zuweilen geht es ganz unverständlich emotional zu, wenn es um das Engagement der Bayern in Griechenland geht. So z. B. im Dumont-Führer „Peloponnes“ 2011, verfasst von Lambert Schneider: Da wird das Löwendenkmal in Nauplia, wohl das wichtigste der zeitgenössischen Denkmäler in Griechenland, das an den Einsatz der Bayern unter Otto erinnert, so beschrieben:

    Hier ließ König Ludwig I. von Bayern ein in höchstem Maße verlogenes Kriegerdenkmal in den Felsen hauen: Ein überdimensionaler schlafender Löwe, geschaffen von Christian Siegel in Anlehnung an ein Luzerner Denkmal des klassizistischen Bildhauers Berthel Thorwaldsen. Die bezeichnende Inschrift lautete: „Die Offiziere und Soldaten der königlichen Bayerischen, ihren Kameraden 1833 und 1834 zur Vollendung gebracht durch Ludwig König von Bayern. Löwe und Inschrifttext suggerieren einen „Heldentod“ von Soldaten, tatsächlich aber starben die meisten dieser Menschen nicht für irgendein Vaterland, sondern – weil ohne Sold – herumvagabundierend an Hunger und Malaria. (Schneider, 2011, 189/190)

    Solche Texte, die sachlich in jeder Hinsicht grotesk unrichtig sind, geben ganz unerklärlich ein falsches und verzerrtes Bild des Einsatzes der Bayern wider. Einer der Gründe für diese oft völlig an der Wirklichkeit vorbeigehenden Beschreibungen liegt sicher darin, dass es bis heute keine wissenschaftliche auf primäre Quellen gestützte Biographie von König Otto von Griechenland gibt. Die in sorgfältiger Form aufbewahrten umfangreichen Akten in den Archiven in Athen, geschrieben in gestochen sauberer bayerischer Kanzleischrift, sind oft ganz unberührt und zeugen von der sorgfältigen Arbeit während der Regierungszeit Ottos.

    Ein anderer Grund dafür, dass der Blick auf Otto oft einseitig ist, liegt vielleicht darin, dass Otto, König von Griechenland, immer wieder verwechselt wird mit seinem Neffen Otto, König von Bayern. Dieser war der jüngere Bruder von König Ludwig II. von Bayern, dem „Märchenkönig“ und Erbauer von Schloss Neuschwanstein. Nach dem Tod von Ludwig II. wurde sein Bruder Otto 1886 nominell Otto, König von Bayern. Da er psychisch krank war, konnte er das Amt als König nicht antreten. Statt seiner regierte von 1886 bis 1912 der jüngere Bruder von Otto von Griechenland, Luitpold als Prinzregent von Bayern (Abb. 20).

    Das Otto-König-von-Griechenland-Museum der Gemeinde Ottobrunn

    Die Gemeinde Ottobrunn, verdankt ihren Namen König Otto von Griechenland, der am 6. Dezember 1832 auf dem heutigen Gemeindegebiet Ottobrunns auf seiner Fahrt nach Griechenland von seinem Vater Abschied genommen hatte. Zur Erinnerung an dieses Ereignis wurde 1834 die Ottosäule errichtet. 1913 wurde für die neu entstehende Siedlung rund um die Ottosäule der Name “OTTOBRUNN“ vorgeschlagen. 1955 wurde Ottobrunn eine selbständige Gemeinde.

    In seiner Sitzung vom 28. Juli 1976 beschloss der Gemeinderat von Ottobrunn, eine Sammlung zum Thema „Otto König von Griechenland und die historische Verbindung zwischen Bayern und Griechenland“ aufzubauen. Gleichzeitig wurde der Beschluss gefasst, eine Städtepartnerschaft mit Nauplia zu begründen, der ersten Hauptstadt des Königreichs Griechenland, in der Otto am 6. Februar 1833 gelandet war. Am 3. Dezember 1989 wurde das Museum eröffnet (Abb. 21).

    Das Museum will durch das Sammeln und Bewahren von historischen Objekten die Erinnerung an den Namenspatron der Gemeinde Ottobrunn, König Otto von Griechenland, wachhalten. Gestaltet durch die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern erinnert es an die Inhalte, Ideale und Werte, die dem europäischen Philhellenismus, dem griechischen Freiheitskampf und dem jungen griechischen Staat zugrunde lagen. Es wird angestrebt, die Geschichte Griechenlands zur Zeit Ottos so lebendig werden zu lassen, dass der Besucher erlebt und versteht, wie eng die politischen Verflechtungen zwischen Bayern und Griechenland damals waren. Anschaulich wird dargestellt, wie sehr politische Fragen und Probleme von damals mit unseren heutigen vergleichbar sind. So kann eine Brücke geschlagen werden von den historischen Vorgängen damals zur heutigen Situation in Europa. Die Sammlung umfasst Gemälde, Skulpturen und originale Ausstellungsstücke vom Hof Ottos von Griechenland aus Athen, die ein authentisches Bild der Zeit wiedergeben. Als ein Beispiel soll hier die goldene Taschenuhr aus dem Besitz von König Otto mit seinem Portrait vorgestellt werden (Abb. 22). Ein ausführlicher Führer informiert über die Sammlungen des Ottobrunner Museums (Murken, 2016).

    Ein elementares Ziel des Museums war und ist es, zur Erforschung der Zeit Ottos beizutragen. Das geschieht durch die traditionellen Museumsabende mit wissenschaftlichen Vorträgen. Und durch die wissenschaftliche Analyse der historischen Quellen. Die Schriftenreihe des Museums mit bisher 26 Veröffentlichungen dokumentiert die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit. Wir schaffen damit auch Ansätze, die oft einseitige Betrachtung des Engagements Ottos und der Bayern beim Aufbau des jungen griechischen Staates, dem zunächst alle Strukturen fehlten, neu zu diskutieren. Wie positiv der Blick auf Otto aus griechischer Perspektive ist, hat der griechische Staatpräsident Konstantinos Stefanopoulos 1999 in München so formuliert:

    Otto repräsentierte damals die Hoffnungen eines neuen Staates, alle Hoffnungen eines Volkes, das acht ganze Jahre lang sehr viel geopfert hatte, um seine Unabhängigkeit und seine Freiheit zu erringen. Ich weiß nicht, wie sehr die Griechen Otto geliebt oder nicht geliebt haben. Ich weiß aber ganz genau, wie sehr Otto Griechenland und die Griechen geliebt hat. Er wurde zutiefst Grieche, das Sprachrohr der griechischen Sehnsüchte, das Sprachrohr der großen Nationalen Idee zur Befreiung auch der übrigen unterworfenen Gebiete der Heimat.

    Nach dem Sammeln, Bewahren und Forschen ist das Vermitteln der Geschichte Ottos und der bayerisch-griechischen Verbindungen im 19. Jahrhundert die vierte Aufgabe unseres Museums. Der Museumsführer (Jan Murken, 2016) führt in das Thema ein und gibt dem Besucher einen umfassenden Überblick über die Ausstellungsstücke und den Inhalt des Museums. Darüber hinaus erfüllen wir unseren Vermittlungsauftrag durch Vorträge, durch das Einbinden griechischer und deutscher Schulen, besonders auch der humanistischen Gymnasien in Bayern und nicht zuletzt durch die Beteiligung an historischen Ausstellungen europaweit.

    Zusammenfassung

    Die Erinnerung an König Otto von Griechenland wird dargestellt in der Beschreibung von Denkmälern, die ihm gewidmet sind, so der Ottosäule in Ottobrunn oder den Propyläen in München. Die ganze Vielfalt der Erinnerungskultur an die Ottonische Herrschaft spiegelt sich in der bildenden Kunst, der Volkskunst, der Musik und auch der Werbung. Das Otto König von Griechenland Museum in Ottobrunn gibt mit seiner Sammlung einen umfassenden Überblick über den griechischen Freiheitskampf und das Leben König Ottos von Griechenland.

    Verwendete Literatur

    Zitierweise

    Jan Murken: «Die bayerische Erinnerungskultur an die Ottonische Herrschaft», in: Alexandros-Andreas Kyrtsis und Miltos Pechlivanos (Hg.), Compendium der deutsch-griechischen Verflechtungen, 07.09.20, URI : https://comdeg.eu/essay/99023/.