Einführung: Die Meilensteine der Hochschule für Agrarwissenschaften
Die Karrieren und die verschiedenen Bildungswege der Wissenschaftler bilden Mikrogeschichten, die die Wege anderer Personen oder Institutionen kreuzen (mit ihnen zusammen- oder auseinanderfallen) und dabei der „großen“ Geschichte, im vorliegenden Falle der Geschichte eines institutionellen Makroprozesses, Sinn und Inhalt verleihen. Im Zentrum meiner Analyse stehen konkret die Hochschule für Agrarwissenschaften und deren Professoren, und der uns interessierende Zeitraum erstreckt sich vor allem von der Gründung der AGSA im Jahre 1920 bis 1982. Für die Zwecke der Untersuchung wird er in zwei Unterperioden (1920 – 1960 und 1961 – 1982) geteilt, die zwei ausreichend homogene und kompakte analytische Muster markieren, die ihrerseits von zwei wichtigen Meilensteinen bestimmt werden.1Es wird darauf hingewiesen, dass die Einordnung der Professoren in die beiden Unterperioden auf der Basis des Datums ihrer Wahl oder ihrer Berufung an die AGSA erfolgt ist. Die erste Periode (1920 – 1960) ist in vielerlei Hinsicht durch die Trennung der Hochschule vom Landwirtschaftsministerium, zu dem sie bis dahin gehörte, und die Unterstellung unter das Bildungsministerium gekennzeichnet. Im gleichen Zeitraum vollzieht sich auch das Ausscheiden der Mehrheit der Professoren der ersten und zweiten Generation der Zwischenkriegszeit, die eine unterschiedliche, mehr persönlich-ethische Vorstellung von Rolle und Aufgabe der Agronomen hatten.2Dieser Zeitraum umfasst auch die sechsjährige (1937 – 1943) Abschaffung und „Verbannung“ der AGSA nach Thessaloniki durch das Regime von General Metaxas. (Panagiotopoulos, 2004; Panagiotopoulos – Carmona – Zabala, 2019). Die zweite Periode (1961 – 1982) wird von einer umfassenden Umorientierung von Wissenschaft und Ausbildung an der AGSA eingeleitet, die durch die Aufnahme einer neuen Generation von Professoren beschleunigt wird, die sich mehr mit dem identifizieren, was man als technokratisches Ideal3Die Akzeptanz der Moderne, die sich seit der Zwischenkriegszeit zeigt, führt zur Verknüpfung von Wissenschaft und Technologie. (Bogiatzis, 2013, 140 – 148). bezeichnen könnte, und die durch eine größere Vertrautheit mit der Forschungspraxis und der internationalen wissenschaftlichen Realität gekennzeichnet ist. Darüber hinaus weist diese Generation eine größere Extrovertiertheit und bedeutende Differenzierungen auf hinsichtlich ihrer Studien und wissenschaftlichen und Forschungsorientierungen. Diese Periode schließt mit einem weiteren wichtigen Einschnitt, der neuen Realität hinsichtlich Aufbau und Betrieb der Hochschulen durch das Rahmengesetz von 1982.
Die Professoren und ihre Studien
Die Hochschule für Agrarwissenschaften wurde zu Beginn nach französischen Vorbildern organisiert, da sowohl ihr Leiter als auch viele Mitglieder des Lehrkörpers, die die Planung und die anfängliche Organisation übernahmen, in Frankreich studiert hatten. (Panagiotopoulos, 2004, 55 – 96). Wie wir jedoch im Folgenden feststellen können, war in der ersten Periode und zumindest bis zum Ende der Zwischenkriegszeit der Einfluss und die Wirkung jener, die in Deutschland studiert hatten oder weitergebildet wurden, ganz und gar nicht zu vernachlässigen. Auf der Basis der uns vorliegenden Daten hinsichtlich der Studien und der Karriere der Professoren stellen wir fest, dass im ersten Zeitraum (1920 – 1960) der Unterschied bei der Anzahl der Professoren, die im Ausland studiert haben, zur Zahl derer, die im Inland studiert haben, gering ist. Im zweiten Zeitraum (1961 – 1982) verändert sich dieses Verhältnis deutlich zu Gunsten der griechischen Universitäten.4Alle Angaben stammen aus dem Archiv der Agrarwissenschaftlichen Universität Athen (AGPA) und wurden vom Verfasser geordnet, der auch die entsprechende Datenbasis (Biografien von Professoren, Dozenten und Assistenten, Berufungen an frühere Lehrstühle, Datenbasis der Studenten: Studienanfänger/Examinierte) erstellt hat. Die Tabellen enthalten daraus aufbereitete Daten. Darin spiegelt sich der Ausbau der Universitätsausbildung in Griechenland wider und in unserem Fall der Ausbau der agrarwissenschaftlichen Ausbildung durch die beiden Hochschulen in Athen und Thessaloniki. Im ersten Zeitraum bestand die Mehrzahl der Professoren aus Agraringenieuren, die fast alle ein Grundstudium an der Athener Universität (vor allem an der Physikalisch-Mathematischen Fakultät) oder am Nationalen Polytechnikum (EMP) absolviert hatten und dann zur Weiterbildung an eine ausländische Agrarwissenschaftliche Hochschule gingen, da es in Griechenland nicht die Möglichkeit gab, Agrarwissenschaften zu studieren. Viele dieser Professoren bilden den „harten“ Gründungskern der AGSA, der die Angelegenheiten dieser Hochschule bis ungefähr 1960 managt und die Strukturen schafft, um Lehrpersonal im Inland auszubilden. Im zweiten Zeitraum ist der Rückgriff auf ausländische Hochschulen für das Grundstudium deutlich begrenzt. Die Weiterbildung und Spezialisierung hingegen vor allem der Assistenten der Hochschule geschieht hauptsächlich an ausländischen Hochschulen, in vielen Fällen auf Empfehlung und mit Unterstützung der Professoren und der Hochschule.
Im Einzelnen: Im ersten Zeitraum stammten von den 27 Professoren, die an griechischen Hochschulen studiert hatten, die meisten von der Universität Athen (14 Absolventen der Physikalisch-Mathematischen und fünf der Juristischen Fakultät) oder hatten Maschinenbau oder Ingenieurwesen am Polytechnikum studiert. Es handelte sich um Studienrichtungen, die bereits über eine ausreichend große Tradition an griechischen Universitäten verfügten und daher ergab sich nicht die Notwendigkeit, auf ausländische Hochschulen „zurückzugreifen“. Die AGSA ist mit drei Absolventen vertreten, die in der ersten Nachkriegsperiode in den Lehrkörper aufgenommen wurden. Im Fall der 19 Professoren, die im Ausland studiert hatten, betreffen 18 Agrarwissenschaftler, Agraringenieure oder Tierärzte, die nicht die Möglichkeit hatten, entsprechende Fächer in Griechenland zu studieren, zumindest bis zur Zwischenkriegszeit und zur Gründung der beiden Agrarwissenschaftlichen Hochschulen in Athen (1920) und Thessaloniki (1927).5Diese Feststellung betrifft fast die Gesamtheit der Agrarwissenschaftler, die im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihr Studium an einer ausländischen Hochschule abgeschlossen haben. Vgl. dazu die Liste der Agrarwissenschaftler im 19. Jahrhundert (Kallivretakis, 1990, 146 – 148). Für das Institut Agricole de Gembloux vgl. die Liste der Absolventen 1861 – 1909 (Gembloux, 1910, 232 – 254). Dabei gebührt der Vorrang zweifellos Frankreich, gefolgt von Belgien und Deutschland, wo es berühmte agrarwissenschaftliche und sonstige technische Hochschulen gab wie z. B. die École Nationale Supérieure d’Agronomie in Montpellier in Frankreich, das Institut Agricole de Gembloux in Belgien oder die Landwirtschaftliche Hochschule in Bonn.
Tabelle 1: GRUNDSTUDIUM VON PROFESSOREN DER AGSA (1920 – 1982)
1. Agrar- und Forstwissenschaftliche Fakultät der Universität Thessaloniki, 2. Hochschule für Wirtschaft und Handel, heute Wirtschaftsuniversität Athen (OPA)
Quelle: Archiv GPA Datenbasis – Biografien von Professoren
In Deutschland absolvierte Studien von Professoren
Ein Grundstudium haben im ersten Zeitraum nur drei Professoren absolviert und im zweiten zwei. Ioannis Dimakopoulos, Professor für Allgemeine und Spezielle Tierzucht und Milchwirtschaft seit 1920, war einer der wirkmächtigsten Professoren, eine starke Persönlichkeit mit großem Einfluss innerhalb und außerhalb der Hochschule von ihrer Gründung bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1965. Der Lehrstuhl für Tierzucht war einer der wesentlichen der Hochschule und einer von denen, deren Inhaber sich konstant an deutschen Universitäten orientierten, wie sich im Folgenden zeigen wird. I. Dimakopoulos entstammte einer bürgerlichen Familie (sein Vater war Direktor der Ethniki Bank), sein Grundstudium absolvierte er an der Landwirtschaftlichen Hochschule Bonn mit einem Stipendium des Wirtschaftsministeriums und verblieb dort ein weiteres Jahr und spezialisierte sich in Tierzucht. Ein weiteres akademisches Diplom oder einen Doktortitel erwarb er nicht. Er beendete sein Studium 1919 und wurde im folgenden Jahr zum Bezirksagronom von Lasithi auf Kreta ernannt und im selben Jahr an die kurz zuvor gegründete AGSA versetzt und zum besoldeten Professor ernannt, einer der wenigen Vollzeitlehrkräfte in der ersten Periode. Dimakopoulos führte sieben Jahre lang die Geschäfte der Hochschule, da er viermal zum Rektor gewählt wurde, was einen Rekord darstellt (Panagiotopoulos, 2004, 210-212), und trug allgemein zur Etablierung des Bereichs Tierzucht bei, der eines der Grundstudienfächer war (und ist).6Die Pflanzen- und Tierzucht sind während des ganzen hier untersuchten Zeitraums wesentliche Studienfächer an der AGSA.
Tabelle 2: GRUNDSTUDIUM VON PROFESSOREN DER AGSA IN DEUTSCHLAND
Quelle: Archiv GPA Datenbasis – Biografien von Professoren
Die beiden anderen, die vor dem Krieg in Deutschland studiert hatten, waren der Agraringenieur Markos Syrakos (Technische Hochschule München) sowie der Chemiker Ioulios Dalietos, der angeblich an der Technischen Hochschule München studiert hatte. Syrakos erwarb sein Ingenieurdiplom 1915 und wurde zum Professor für landwirtschaftlichen Wasserbau und Bauwesen an der AGSA ernannt von ihrer Gründung im Jahre 1920 bis 1924 und danach für einen kurzen Zeitraum. Von 1924 bis 1930 betrieb er ein privates landwirtschaftliches Unternehmen, beendete seine Karriere jedoch als Inspekteur der Abteilung für Technische Projekte im Landwirtschaftsministerium (1930 – 1950). Dalietos hingegen studierte Chemie an der Technischen Hochschule München, promovierte dort mit einer Arbeit zur Gärungschemie und allgemein zur Gärungstechnik; während zweier Jahre war er wissenschaftlicher Mitarbeiter (Assistent) des Professors für Gärungschemie an dieser Hochschule. Nach seiner Rückkehr nach Griechenland wurde er zum Professor für Önologie, Alkoholerzeugung, Brauwesen und Gärungstechnik an der AGSA von 1921 bis 1923 berufen.7Dalietos wurde mit Königlichem Erlass vom 23/05/1923 entlassen, da er als „nicht spezialisiert, ohne Vorliegen weiterer Gründe“ beurteilt wurde. Er war auf die Stelle von Konstantinos Kaloudis berufen worden, der ihm nach seiner Entfernung folgte. Seine Entlassung beruht möglicherweise auf politischen Gründen, was zu jener Zeit nicht selten war; aber dazu gibt es keine weiteren Hinweise.
Im folgenden Zeitraum (1961 – 1982) könnte von den beiden Professoren, die in Deutschland studiert haben, Jeorjios Nikolitsas ohne Weiteres in die Vorkriegsgeneration eingeordnet werden, da sowohl sein Studium in Deutschland wie auch sein Ruf an die Universität Thessaloniki vor dem Krieg stattgefunden haben. An die AGSA wurde er erst 1964 berufen, seine Zeit an der Hochschule war kurz und sein Einfluss auf ihre Entwicklung gering. Prof. Nikolitsas stammte aus Schinochorio bei Argos, studierte Ingenieurwissenschaften an der Technischen Hochschule Berlin und anschließend an der Technischen Hochschule Dresden. Nach seiner Rückkehr nach Griechenland arbeitete er eine Zeitlang (1928 – 1931) als Ingenieur im Verkehrsministerium, konkret am Bau der Eisenbahnlinie Kalambaka – Veria. Von 1934 bis zu seiner Berufung im Jahre 1964 an die AGSA war er Professor an der Universität Thessaloniki. Der Fall von Emmanouil Rogdakis hingegen, der – zufällig? – den Lehrstuhl (Allgemeine und Spezielle Tierzucht) übernahm, den I. Dimakopoulos innegehabt hatte, ist interessant. Rogdakis stammte aus einer Bauernfamilie aus Gagales bei Iraklion/Kreta, schloss 1968 sein Studium an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim ab und wurde 1972 an derselben Hochschule promoviert. Er war ebenfalls Leiter der Biochemischen Abteilung am Institut für Nutztierwissenschaften der Universität Hohenheim, bevor er 1979 an die AGSA berufen wurde. Rogdakis war ein Wissenschaftler, der einen nachhaltigen Abdruck sowohl im Bereich der Tierpflege wie auch in der Hochschule für Agrarwissenschaften hinterließ. In beiden Fällen weiß man nicht, ob sie ein Stipendium für ihr Studium erhalten hatten.
Aus dieser kleinen Stichprobe lässt sich feststellen, dass man sowohl in der ersten wie in der zweiten Periode nach Deutschland vor allem wegen höherer technischer Studien ging, aber auch für das Studium der Tierpflege, Tierzucht und Tiermedizin, wie man im Weiteren sehen wird. Es handelt sich um Spezialisierungen jenseits des klassischen Modells des Agronomen und Pflanzenkundlers, das zumindest vor dem Krieg vor allem an den französischen Hochschulen gepflegt wird, die in den klassischen Fächern der Agronomie für pflanzliche Produktion mit den verschiedenen Spezialisierungen führend sind: Weinbau, Pflanzentechnik, Phytopathologie, Olivenanbau usw. Den unbestrittenen Vorrang in diesen Spezialisierungen nimmt Frankreich ein, gefolgt von Italien und auch von Belgien, wo am liebsten jene hingingen, die Agraringenieurwesen studieren wollten.8Sie bevorzugten besonders das Institut Agricole de Gembloux in Belgien, wo bedeutende Agronomen und Professoren der AGSA studiert haben wie Stavros Papandreou, Gerassimos Molfetas, Ioannis Kokkonis, Epaminondas Kypriadis, Nikolaos Christodoulou, Konstantinos Isaakidis und auch Ioannis Papadakis und Petros Kanaginis, die mit der Hochschule verbunden sind (Panagiotopoulos, 2013, 39 – 46). Erwähnenswert ist auch, dass die Mehrzahl der Professoren, die ihren Studienabschluss an einer ausländischen Universität abgelegt hatten, keinen weiteren akademischen Grad hatten, insbesondere im ersten Zeitraum (1920 – 1960).9Bis auf zwei Professoren, die ihren Doktorgrad im Ausland erwarben und zwei weitere, die an Fakultäten der Athener Universität promoviert wurden (einer sogar als er bereits Professor an der AGSA war) und vier weitere, die eine Spezialisierung im Ausland verfolgten. Mit anderen Worten war im ersten Zeitraum selbst ein Grundstudium im Ausland ausreichend zum Erreichen des höchsten akademischen Grades. Denn wie sich auch am Prozess der Auswahl der Professoren, insbesondere für die agrarwissenschaftlichen Fächer, feststellen lässt, waren das Prestige und die durch Anwendung der Wissenschaft erworbene Erfahrung ausschlaggebend. Besonders erhellend in dieser Hinsicht sind die von den Mitgliedern der Berufungskommissionen geäußerten Ansichten (Panagiotopoulos, 2004, 103 – 120).
Dieses Bild ändert sich nach 1960, als die berufenen Professoren in ihrer überwiegenden Mehrheit an griechischen Universitäten studiert haben. Daran zeigt sich die Steigerung des Niveaus der Universitätsstudien in Griechenland, was dazu beitrug, dass man selbst in Bereichen wie den Agrarwissenschaften für das Grundstudium nicht mehr ins Ausland ging. Ein beträchtlicher Anteil der Professoren hat die AGSA absolviert sowie die Agrarwissenschaftliche Fakultät der Universität Thessaloniki. Das führt zur weiteren Feststellung, dass nämlich die (notwendige) Weiterbildung und Spezialisierung auf Postgraduiertem Niveau vor allem im Ausland erfolgt, was erlaubte, den wissenschaftlichen Fortschritt zu verfolgen und sich mit der internationalen Situation vertrauter zu machen aber auch sich in den jeweiligen Bereichen der Forschung und der Wissenschaft zu spezialisieren. Das wirkt sich positiv auf die Anhebung des Niveaus der Inlandsstudien aus aber auch auf die Festigung der speziellen Kenntnisse, die zur Entwicklung der jeweiligen Bereiche der Produktion und der Wissenschaft erforderlich sind, wie etwa agronomische Versuche, Pflanzen- und Tierzucht, Gentechnik usw.
Aufbaustudien in Deutschland
Ausgehend von der eben gemachten Beobachtung soll untersucht werden, welcher Art die Aufbaustudien der Professoren der AGSA sind. Zunächst wird angemerkt, dass 76,5 % der Professoren des ersten Zeitraums über den Abschluss eines Aufbaustudiums (Spezialisierung oder Doktordiplom) verfügen sowie 92,9 % des Zeitraums nach 1960 (Tabelle 3). Es ist also eine deutliche Tendenz zur Spezialisierung im zweiten Zeitraum zu beobachten, die bereits seit der ersten Nachkriegsgeneration von Professoren nachzuweisen ist. Da im ersten Zeitraum organisierte Aufbaustudiengänge im Inland fehlten, hatten alle, die nach ihrem Grundstudium eine – meist kurze – Spezialisierung verfolgt hatten, diese im Ausland gemacht. In diesem Fall ist aber bemerkenswert, dass dabei Deutschland zweifellos den Vorrang einnimmt, gefolgt von Frankreich und Belgien. Im gleichen Zeitraum setzt der Kontakt mit britischen und amerikanischen Universitäten ein, die im zweiten Zeitraum den ersten Rang einnehmen. In der Tat ist nach 1960 eine signifikante Zunahme von Professoren mit Studien an amerikanischen oder britischen Universitäten zu beobachten sowie ein Rückgang der zentraleuropäischen Tradition und des Einflusses (insbesondere der deutschen und weniger der französischen), was verschiedene Auswirkungen auf Charakter und Inhalt der Studien haben wird.10Allgemein nehmen in der Nachkriegszeit die Kontakte und Kooperationen der Professoren mit britischen und besonders amerikanischen Institutionen und Organisationen zu (Krimbas, 1993, 169–183, 186- 223). Andererseits „leeren“ sich bereits seit der Zwischenkriegszeit die deutschen Universitäten wegen des Aufstiegs des Nationalsozialismus, der den Niedergang der Qualität der deutschen Universitäten zur Folge hat, wovon in erster Linie die amerikanischen Universitäten profitieren (Paulus, 2002, 241-253).
Tabelle 3: ABSCHLÜSSE IN AUFBAUSTUDIEN DER PROFESSOREN DER AGSA (1920 – 1982)
P (Postgraduiertenstudium) D (Doktordiplom) P + D (Postgraduiertenstudium + Doktortitel)
Quelle: Archiv GPA Datenbasis – Biografien der Professoren
Anzumerken ist, dass die Aufbaustudien in gewissem Maße finanziert wurden, besonders seitens des Staates. Die Stipendien wurden gewöhnlich nach einem Auswahlverfahren vergeben, sie bewegten sich zwischen einem bis drei Jahren und dienten der Fortsetzung der Studien auf Postgraduiertenniveau und in einer bestimmten Spezialisierung oder einfach dazu, Erfahrung in einem wissenschaftlichem Bereich zu erwerben.11Konkret studierten 14 Professoren des ersten Zeitraums und 26 des zweiten im Ausland mit einem Stipendium. Diese Zahlen beziehen sich auf jene, die ich ausfindig machen konnte und bei denen ich die Vergabeinstitution kenne. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass es mehr sein können. Im ersten Zeitraum wird teils „der griechische Staat“ oder die „griechische Regierung“ genannt (fünf Fälle), teils konkret das Landwirtschaftsministerium (drei) oder das Wirtschaftsministerium (einer), das Polytechnikum (drei), die Universität Athen (einer) oder die Rockefeller Stiftung (eine). Die Stiftung für Staatsstipendien (I.K.Y.), die im zweiten Zeitraum die meisten Stipendien vergibt, wurde 1951 gegründet. Im Zeitraum 1961-1982 wird als Stipendienträger die I.K.Y. genannt (zehn Stipendien), das Landwirtschaftsministerium (zwei), die Landwirtschaftsbank (ein) oder verschiedene ausländische Universitäten oder Regierungen sowie verschiedene Nachlässe (vierzehn). Häufig war schließlich die Gewährung von Stipendien für das Grundstudium, was in hohem Grad auf die Professoren der ersten Generation zutraf, vor allem zum Studium der Agrarwissenschaften. In manchen Fällen wurde das Grundstudium ausgeweitet auf die Postgraduiertenspezialisierung. Diese Politik wurde durch zwei grundsätzliche Parameter diktiert: zum einen durch das Fehlen einer entsprechenden Tradition in diesem Bereich, zumindest bei den agrarwissenschaftlichen Studien, und zum anderen durch die dringende Notwendigkeit, die geeigneten Grundlagen und Strukturen für die Entwicklung dieser Wissenschaft zu schaffen, vor allem hinsichtlich ihrer Ausweitung auf neue Felder und Objekte sowie deren bessere Anbindung an die tatsächlichen (und in vielen Fällen dringenden) Notwendigkeiten der Wirtschaft und der landwirtschaftlichen Produktion (Tabelle 4).
Tabelle 4: POSTGRADUIERTENSTUDIEN VON PROFESSOREN (1920-1982)
Quelle: Archiv GPA Datenbasis – Biografien von Professoren
Es ist in der Tat interessant, sich auf die Gruppe der herausragenden Professoren zu fokussieren, die in Deutschland fortgebildet wurden, wie der richtige Terminus wäre, da es damals in den meisten Ländern noch keine institutionalisierten Aufbaustudien gab (Tabelle 5). Es muss ebenfalls darauf hingewiesen werden, dass die zwölf Professoren des Zeitraums 1920-1960 vor dem Zweiten Weltkrieg (vor allem in der Zwischenkriegszeit) in Deutschland fortgebildet wurden.12Wie erwähnt, muss J. Nikolitsas zu diesen hinzugezählt werden, da er zwar 1964 an die AGSA berufen wurde, aber in Deutschland in der Zwischenkriegszeit studiert hatte. Zu ihnen gehören herausragende Persönlichkeiten, die auf ihrem Feld Anerkennung gewonnen haben und/oder die Einführung und Konsolidierung des entsprechenden wissenschaftlichen Faches in Griechenland entscheidend beeinflusst haben wie z. B. der bereits erwähnte I. Dimakopoulos. Einen besonderen Platz im Reigen der Pioniere der Agrarwissenschaften, die in Deutschland fortgebildet wurden, nimmt Sokratis Iasemidis ein, Professor für Agrarökonomie und Agrarpolitik, aber auch für Genossenschaftswirtschaft, ein Zweig, dem er sich widmete und zu dessen Etablierung in Griechenland er beitrug.
Sokratis Iasemidis wurde 1878 in Athen geboren und studierte Naturwissenschaften an der Universität Athen, an der er auch im Jahre 1900 promovierte. Begeistert vom Konzept und den Erfolgen der Genossenschaften in Deutschland, studierte er unmittelbar danach an der Landwirtschaftlichen Hochschule Bonn mit einem Stipendium des griechischen Staates. Dort verfolgte er die genossenschaftliche Organisation in Deutschland aus der Nähe und machte sich mit den Ideen von Professor Willy Wygodzinski vertraut. Nach seiner Rückkehr aus Deutschland beschäftigt er sich systematisch und fast ausschließlich mit der Entwicklung des Genossenschaftswesens in Griechenland. 1904 schreibt er die ersten Artikel über die landwirtschaftlichen Genossenschaften in der Zeitung Akropolis, die ein großes Echo auslösen, und gibt sein erstes Buch mit dem Titel Landwirtschaftliche Genossenschaften heraus.13Dieses Werk kam 1913 in überarbeiteter und 1918 in endgültiger Form heraus (Iasemidis, 1918). Er war der Hauptinitiator für die Verabschiedung des Gesetzes Nr. 602 über Genossenschaften am 31. Dezember 1914, wodurch die für die landwirtschaftliche Produktion wesentliche Institution in Griechenland eingeführt wurde. Zur besseren Organisation der Genossenschaften gab das Ministerium Mustersatzungen verschiedener Formate heraus, die im Wesentlichen von Iasemidis selbst verfasst wurden, der Referatsleiter für Agrarökonomie war. Ihm sind auch die Vorschläge und die Vorbereitung des Gesetzes Nr. 280 über die Schaffung der Landwirtschaftskammern zu verdanken.14Zur selben Zeit wurde im Ministerium eine spezielle Arbeitsgruppe für Agrarökonomie eingerichtet mit ihm an der Spitze. 1925 wird er zum Abteilungsleiter für Landwirtschaft ernannt, und von dieser Position aus gelingt ihm die Errichtung von Kassen für Erntevorsorge, des Büros zum Schutz des Tabaks, einer Kasse zum Schutz der Viehzucht, von genossenschaftlichen Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit sowie der Zentralen Versicherungskasse gegen Hagel und Frost. Er hat ebenfalls die Gesetze „über landwirtschaftliche Pfandscheine“ und das Gesetz zu „Registerpfandrechte an Tabak“ eingebracht. Schließlich wurde auf seinen Vorschlag die entsprechende Verordnung erlassen. Seit 1918 gab er die Zeitschrift „Helfer für Genossenschaften“ heraus, die bis 1922 erschien, und unterrichtete gleichzeitig an der AGSA (er gehörte zu den ersten Professoren, die 1920 ernannt wurden) bis zu seinem vorzeitigen Tod im Jahre 1929.
Der Fall von S. Iasemidis könnte im Kontrast zu jenem von Professor Jeorjios Pampoukas gesehen werden, der ihm in gewisser Weise auf dem Lehrstuhl an der AGSA nachgefolgt ist. Die persönliche und berufliche Entwicklung der beiden Persönlichkeiten, deren einziges gemeinsames Kennzeichen die Fortbildung in Deutschland war, beleuchtet aus einem interessanten Blickwinkel die Zwischenkriegszeit im Verhältnis zur folgenden Periode der Besatzung und des Widerstands. Darüber hinaus hilft das Studium ihres Werdeganges zum Verständnis der Grundanliegen jeder Epoche durch die Analyse zweier unterschiedlicher wissenschaftlicher und akademischer Naturelle, die ihren jeweils eigenen Abdruck in ihrer Zeit und in der Hochschule hinterlassen haben:15J. Pampoukas war eine politische Persönlichkeit, die dem konservativen Lager angehörte. Er wurde 1890 in Kiato nahe Korinth geboren; sein Vater war Richter. Er studierte Jura an der Universität Athen und ging zur Fortbildung nach Deutschland (weitere Angaben kennen wir nicht). Er war Rechtsanwalt am Obersten Gericht ab 1922 und fungierte von 1926 bis 1931 als Rechtsberater der Kommission zur Entschädigung von Flüchtlingen (EAP). Von 1932 bis 1935 war er Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium und wurde 1936 zum Abgeordneten der Volkspartei (Laiko Komma) im Bezirk Argolikorinthia gewählt. Schließlich war er Kommissar des Finanzministerium im Landwirtschaftsministerium (1942) und Geschäftsführender Vizeminister für Landwirtschaft (1943-44). Nach dem Krieg nahm er wiederholt an Wahlen teil, sei es als Unabhängiger mit seiner eigenen Partei (Agrotiko Laiko Komma), die er 1946 gründete, sei es als Listenpartner; zweimal (1951 und 1952) gelang es ihm, mit der Griechischen Sammlung (Ellinikos Synagermos) von Al. Papagos ins Parlament gewählt zu werden. 1976 ist er verstorben. S. Iasemidis, der Pionier des „gesunden und orthodoxen“ Genossenschaftswesens auf der einen Seite, der glaubte, dass die Genossenschaften sich von der Politik fernhalten sollen, und auf der anderen Seite J. Pampoukas, in Politik schlechthin verwickelt, der allmählich in extrem konservative Positionen und Entscheidungen rutscht. So zögert er nicht, sich während der Besatzung (1943-44) zum geschäftsführenden Vizeminister für Landwirtschaft ernennen zu lassen, im selben Zeitraum, in dem er für die Rückführung der AGSA von Thessaloniki nach Athen interveniert und gleichzeitig zum Professor an der AGSA berufen wird.16J. Pampoukas wurde während der Besatzung zum ordentlichen Professor der Agrar- und Genossenschaftswirtschaft sowie der Agrarpolitik ernannt (mit Erlass vom 7. Oktober 1943 [Regierungsanzeiger FEK 262/8-10-1943]) in Ausführung des Gesetzes 672/1943, in der Sache durch Entscheidung des Ministerpräsidenten und Landwirtschaftsministers I. Rallis). Auf der Grundlage des Gesetzes 632/1945 wurde der Lehrstuhl ausgeschrieben, da er während der Besatzung ohne ordentliche Wahl ernannt worden war. 1946 wird er zum ordentlichen Professor berufen und verbleibt auf dieser Stelle bis zu seinem Rücktritt im Jahre 1951 wegen seiner Wahl zum Abgeordneten.
Tabelle 5: POSTGRADUIERTENSPEZIALISIERUNG VON PROFESSOREN DER AGSA IN DEUTSCHLAND (1920-1982)
Quelle: Archiv G.P.A. Datenbasis – Biografien von Professoren
Es wurde etwas ausführlicher auf den Fall von S. Iasemidis eingegangen, um die Art und Weise aufzuzeigen, wie in der Zwischenkriegszeit die Weitergabe von Wissen und Erfahrung aus dem Ausland an das Inland funktionierte, nicht einfach durch Nachahmung und trockene Lehre, sondern durch persönliches Engagement im Prozess der institutionellen Erschließung neuer wissenschaftlicher Felder und für seinerzeit neue produktive Zweige und Institutionen wie die Genossenschaften. In benachbarten wissenschaftlichen Fächern wie Volkswirtschaft, Agrar- und Genossenschaftswirtschaft, Verfassungsrecht, Agrarpolitik und Soziologie stand Deutschland, zusammen mit Frankreich, an der Spitze, zumindest bis zur Zwischenkriegszeit.17Zum Import und zur Aufnahme von Ideen in Griechenland und zu deren Umsetzung in Modernisierungs- praktiken und -vorstellungen in der Zwischenkriegszeit (vgl. Kyrtsis 1996, 138-149); Psalidopoulos, 2013). Es handelt sich um Fächer, von denen wir wissen, dass viele Mitglieder des Kreises der Soziologen (Alexandros Delmousos, Alexandros Mylonas) sie studiert und sich in ihnen spezialisiert haben wie auch Alexandros Papanastasiou selbst, der nicht nur von sozialistischen Ideen beeinflusst wurde, sondern auch vom Korporatismus durch den Theoretiker der genossenschaftlichen Institutionen Otto v. Gierke und anderen (Kyrtsis, 1988,63-77; 2013,59-72; Anastasiadis, 2008, 73-77). In dieser Hinsicht ist es ebenfalls kein Zufall, dass viele der genannten Wissenschaftler und Professoren, zumindest in der Vorkriegsperiode, sich auf vielerlei Weise in die öffentliche Sphäre, in das soziale und manchmal in das politische Leben einbringen. In diese Kategorie fällt sicherlich auch der Professor für politische Ökonomie und Staatsfinanzen Nikolaos Gounarakis, der zeitlich all diesen vorausgeht und den Dimitrios Kalitsounakis zu den „Kathedersozialisten“ zählt.18Es ist übrigens kein Zufall, dass er sich auf dem Lehrstuhl an der Universität Athen mit dem begeisterten Nationalisten und Vertreter der politischen Irrationalität in Griechenland schlechthin, Neoklis Kazazis, abwechselte (Theocharakis 2018, 492-493). Zu den Kathedersozialisten vgl. Kyrtsis, 1988, 67-71. Gounarakis hat vor allem an der Universität Athen gelehrt und für kurze Zeit (1920-1921) auch an der AGSA.19Nikolaos Gounarakis (1853-1931) wurde in Messolongi geboren. Er studierte zunächst an der Juristischen Fakultät der Universität Athen und setzte seine Studien in Heidelberg, München und Leipzig fort. Nach seiner Rückkehr aus Deutschland wurde er 1876 zum Vorsitzenden Richter der erstinstanzlichen Gerichte berufen, trat kurz danach von diesem Posten zurück, um als Rechtsanwalt zu arbeiten, zunächst in Messolongi und anschließend in Athen. 1882 wurde er zum Privatdozenten und danach zum Professor für Volkswirtschaft an der Universität Athen berufen. Fast unmittelbar danach wurde er aus politischen Gründen entlassen. Er wandte sich der Politik zu und wurde dreimal zum Abgeordneten für Attika (1899, 1902, 1905) gewählt. Er war Finanzminister in der Regierung Th. Dilijannis (16.12.1904-12.06.1905) und übernahm (nach Dilijannis‘ Ermordung) für einige Tage auch das Innenministerium. 1907 wurde er zum ordentlichen Professor für Strafrecht an der Universität Athen berufen und 1910 wieder entlassen. 1911 wurde er erneut berufen und 1918 erneut entlassen. 1920 wurde er zunächst Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und bald darauf Universitätsprofessor; aus diesem Amt schied er 1923 wegen Erreichens der Altersgrenze aus. Außer an der AGSA amtierte er auch als Professor an der Handelshochschule (später Hochschule für Finanzen und Handelswissenschaften), deren erster Leiter er war von der Gründung im Jahr 1920 bis 1923.
Neben diesen gehen aber auch Wissenschaftler zur Weiterbildung nach Deutschland, die aus dem Bereich der Naturwissenschaften bzw. Fächern wie Physik, Chemie, Geologie und Mineralogie stammen und natürlich ziemlich viele Ingenieure und Maschinenbauer. Aus dieser letztgenannten Kategorie wurde bereits der Fall von J. Nikolitsas erwähnt, aber von besonderem Interesse ist auch der Maschinenbauer Alexandros Michalopoulos, Professor (mit Gehaltszulage) für Höhere Mathematik und theoretische Mechanik an der AGSA, da er gleichzeitig ordentlicher Professor am Polytechnikum war. Al. Michalopoulos wurde an der Technischen Hochschule Berlin20Sein Aufbaustudium erfolgte im Zeitraum 1909-1914 an der Fakultät für Schiffbau und Ingenieurwesen der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg (Michalopoulos, 19.02.2021) fortgebildet und war einer der ersten und am längsten lehrenden Professoren der AGSA (1920-1952).21A. Michalopoulos wurde am 10. März 1920 vorläufig und mit Gehaltszuschuss auf den Lehrstuhl für Mathematik und Theoretische Mechanik berufen. Am Polytechnikum hatte er von 1917 bis 1952 den Lehrstuhl für Theoretischen Maschinenbau inne. Zu diesem Datum wurde er (ebenso wie an der AGSA) emeritiert. Da es, wenn auch nur mittelbar, unser Thema betrifft, verdient eine Begebenheit aus der Zeit der Besatzung erwähnt zu werden, die bezeichnend ist für die Zeit und die Schwierigkeiten, mit denen selbst beamtete Professoren konfrontiert waren. In einem Schreiben, das sich in seiner Personalakte mit Datum vom 21.06.1944 befindet (unterschrieben von Rektor Potis Koutsomitopoulos und gerichtet an das Landwirtschaftsministerium), wird Folgendes dargelegt: „Ich habe die Ehre zu berichten, dass der Professor dieser Hochschule. Herr A. Michalopoulos erkrankt ist. Da er zu den am längsten dienenden Professoren dieser Hochschule gehört und seit deren Gründung vielfältige Dienste erbracht hat, sein Gehalt nicht befriedigend ist (da er nur einen Zuschuss zu den Bezügen seiner Hauptbeschäftigung am Polytechnikum erhält) und er Vorstand einer vielköpfigen Familie ist, erbitten wir, dass Sie die Zuteilung einer doppelten Menge der ihm bereits zustehenden Milch für die Dauer seiner Erkrankung und maximal für einen Monat genehmigen.“ Und in einem weiteren, an das erste anknüpfende Schreiben an das Ministerium mit Datum vom 12.10.1944 ist folgender Passus enthalten: „da die schwere Erkrankung andauert, genehmigen Sie, dass ihm für die Dauer eines Monats täglich ein Ei gewährt wird.“ Interessant ist auch der Fall von Ioannis Theofanopoulos und von seinem Sohn Nikolaos, die beide für kurze Zeiträume an der AGSA lehrten,22An der AGSA lehrte der erste das Fach Landwirtschaftlicher Maschinenbau von 1920-1923, wonach er zurücktrat, während sein Sohn (nach dem Tod von Epaminondas Kypriadis) jeweils in den Jahren 1958-1959,1959-1969 und 1960-1961 mit Lehrauftrag tätig war. während ihr Schwerpunkt am Polytechnikum war.23Ioannis Theofanopoulos fungierte als Professor für Maschinenelemente, Dampflokomotiven und Kessel am Polytechnikum von 1907 (oder 1909) bis zu seinem Tod. Er bekleidete dort wiederholt das Amt des Dekans der Fakultät für Maschinenbau und Elektrotechnik sowie von 1941-1943 das Amt des Rektors. Am 21. Dezember 1944 „wurde er von einer Gruppe kommunistischer Studenten aus seiner Wohnung als Geisel entführt und nach Misshandlungen durch die Kommunisten am 10. Januar 1945 in der Nähe von Arachova hingerichtet“ (Archiv Vovolinis, Akte 355, 1997, 79; Modernes Enzyklopädisches Lexikon „Ilios“, Band 9, 569; M. Asimakopoulos, 2012, 149-155). Sein Sohn Nikolaos wurde nach dem Tod des Vaters am Polytechnikum 1947 zum außerordentlichen und 1953 zum ordentlichen Professor auf den Lehrstuhl für Maschinenelemente berufen. Beide hatten ein Aufbaustudium in Deutschland absolviert.24Beide hatten ein abgeschlossenes Studium des Maschinenbaus am Polytechnikum absolviert. Ioannis „ging 1901 für fünf Jahre nach Deutschland, wo er in verschiedenen Fabriken arbeitete und Fächer an Technischen Hochschulen belegte“ (Archiv Vovolinis, Akte 355, 1997, 79; Modernes Enzyklopädisches Lexikon „Ilios“, Band 9, 569). Nikolaos nahm seine Studien in Deutschland 1938 auf, unterstützt durch ein Stipendium des Averof Nachlasses, belegte Fächer an verschiedenen Universitäten und promovierte an der Technischen Hochschule Berlin. Besonders interessant ist auch der Fall von Nikolaos Kritikos, der ebenfalls einer der ersten Professoren an der AGSA war, da er 1920 vorläufig zum Professor (mit Gehaltszuschuss) für Experimentelle Physik, Meteorologie und Klimatologie ernannt wurde und auf diesem Posten bis zu seinem Tod im Jahr 1947 blieb.251917 wurde er ebenfalls zum Professor für Meteorologie und 1919 für Astronomie und Kosmographie an der Kadettenschule der Marine berufen. Seit 1919 wirkte er ebenfalls als Professor für Meteorologie und Klimatologie an der Forsthochschule Athen, wo er bis 1928 lehrte, als die Hochschule nach Thessaloniki verlegt wurde und eine der Fakultäten der neuen Universität bildete. Zehn Jahre nach seiner Berufung an die AGSA wurde N. Kritikos 1930 zum außerordentlichen Assistenzprofessor für Seismologie an der Universität Athen berufen. Dieser Lehrstuhl wurde nach den zerstörerischen Erdbeben von Korinth im Jahr 1928, die eine Fülle von wissenschaftlichen und technischen Problemen aufwarfen, auf Vorschlag der Professoren D. Aijinitis, K. Ktenas und Th. Skoufos eingerichtet. Kritikos war der einzige Kandidat und Spezialist auf diesem Gebiet und wurde so zum ersten Professor für Seismologie in Griechenland. Sein Aufbaustudium in Deutschland vollzog sich genau auf diesem Gebiet. 1922 reiste er nach Deutschland und arbeitete für zwei Jahre am Geophysischen Institut in Göttingen bei Professor E. Wiechert, einem der Schöpfer der modernen Seismologie, und anschließend in Hamburg in der Deutschen Seewarte bei den Professoren A. Wegener und E. Heidke. 1929 reiste er erneut nach Deutschland und beteiligte sich an den Arbeiten der Reichszentrale für Erdbebenforschung in Jena, die damals unter Leitung des berühmten Geophysikers O. Hecker stand.26N., Kritikos, geboren in Piräus, war Absolvent der Physikalischen Abteilung der damaligen Philosophischen Fakultät der Universität Athen (1908), wo er 1910 auch promoviert wurde. Ab 1907 arbeitete er als unbezahlter Assistent und seit 1909 als bezahlter am Labor für Theoretische Physik der Universität. Nach einem Auswahlwettbewerb wurde er 1912 als Assistent am Astronomischen Labor der Universität angestellt. 1917 wurde er zum Dozenten an diesem Labor ernannt, wo er bis 1920 blieb. Nach seiner Beförderung zum außerordentlichen Seismologen übernahm er in diesem Jahr „die neugeschaffene Stelle des Leiters der Geodynamischen Abteilung der Sternwarte“. 1929 wurde er zum ordentlichen Professor für Seismologie ernannt. Er hat eine Fülle von Artikeln und Studien verfasst, die in der Festschrift, die seine Freunde und Kollegen aus Anlass seines 35-jährigen Berufsjubiläums 1944 herausbrachten, ausführlich analysiert werden (N. A. Kritikos, Wissenschaftliche Festschrift zum 35. Jubiläum, 1944).27Anzumerken ist aus seiner Personalakte, die im Archiv der Landwirtschaftlichen Universität Athen (GPA) aufbewahrt wird, die Grabrede von Oberstleutnant J. Androulakis, der seine dreijährige aktive Tätigkeit während der Besatzung würdigte. Er hatte ein Funkgerät in seinem Labor installiert und übermittelte den Alliierten Informationen, wofür er, wie er erwähnt, keinerlei Ehrung oder Auszeichnung akzeptierte.
Von kürzerer Dauer, aber entscheidend für seine nachfolgende Entwicklung war die Fortbildung des Professors für Geologie und Mineralogie Jeorjios Voreadis (Tätigkeit an der AGSA von 1949-1960).28Die zweijährige Fortbildung von J. Voreadis in den Jahren 1933 und 1934, unterstützt durch ein Stipendium des Wirtschaftsministeriums, erfolgte an den Universitäten Berlin und Wien zum Thema der geotektonischen Probleme des alpinen Europa und zur Lagerstättenkunde. Es handelte sich um eine Postdoktoranden-Spezialisierung, da er bereits an der Universität Athen promoviert hatte. Danach wurde er zum Dozenten für Geologie an der Universität Athen (1937) und am Polytechnikum (1945) ernannt, wo er auch 1948 zum Professor am außerordentlichen Lehrstuhls für Lagerstättenkunde und Angewandte Geologie berufen wurde. Schließlich wurde er 1949 zum ordentlichen Professor (mit Gehaltszuschuss) am Lehrstuhl für Mineralogie und Geologie an die AGSA berufen (wo er bereits seit 1931 Assistent war). Voreadis folgte an der AGSA auf den Professor und Akademie-Mitglied Jeorjios Jeorgalas, als letzterer wegen seiner Teilnahme an der EAM (Nationale Befreiungsfront) und der EPON (Vereinigte Panhellenische Jugendorganisation), deren Vorsitzender er war, von allen seinen Posten entlassen wurde (Panagiotopoulos, 2004, 195-198). Sein Diplom als Chemieingenieur am Polytechnikum hatte 1927 auch der Professor für Landwirtschaft und später für Allgemeine Chemie Christoforos Vassiliadis erhalten. Ch. Vassiliadis stammte aus Konstantini in Messenien und machte ein Aufbaustudium in Deutschland, an der Universität Berlin, mit einem Stipendium des Polytechnikums. In Berlin blieb er drei Jahre, promovierte 1941 in Landwirtschaftlicher Chemie an der Landwirtschaftlichen Hochschule der Universität Berlin. Seine weitere Karriere ist mehr oder weniger bekannt und verlief erwartungsgemäß.291944 wurde er zum Dozenten am Polytechnikum berufen. Er arbeitete auf verschiedenen Hierarchiestufen bis zum Abteilungsleiter am Zentrallabor für Bodenkunde des Landwirtschaftsministeriums (dem früheren Agrarwissenschaftlichen Chemielabor, das der Professor für Agrarchemie an der AGSA F. Paliatseas gegründet hatte, von 1931 bis 1954. 1949 wurde er für drei Jahre zum außerplanmäßigem Professor (auf Honorarbasis) für Agrarchemie berufen, wobei er seinen Posten als Assistent am Zentrallabor für Bodenkunde in Athen beibehielt. Schließlich wurde er 1954 zum ordentlichen Professor für Allgemeine Chemie berufen und im August 1971 emeritiert. An der Chemischen Abteilung der Fakultät für Physik und Mathematik der Universität Athen erwarb 1920 auch der spätere Professor für Agrarindustrie Nikolaos Polymenakos sein Diplom; er wurde in Athen geboren und war Sohn eines Generals. Er verfolgte in Deutschland und Frankreich kein organisiertes Aufbaustudium, sondern gewisse Spezialisierungen, die zu jener Zeit üblich waren. Nach Deutschland ging er im Jahre 1923, wo er zwei Jahre lang Kurse in Allgemeiner Chemie an den Universitäten Leipzig und Berlin belegte; er spezialisierte sich in Lebensmittelchemie301932 gründete er zusammen mit B. Kourtakis in Athen ein önologisches Chemielabor, das bis 1935 bestand., während er sich an der Universität Dijon in Agrarchemie und insbesondere in Weinherstellung spezialisierte. 1937 promovierte er an der Universität Athen.31Es lohnt sich, seine umfangreiche Karriere zu verfolgen, um sich ein Bild von der Gründung einer Reihe von Produktionsbereichen in Griechenland machen zu können. Nach seiner Rückkehr aus dem Ausland übernahm er die technische Leitung der Fabrik für Kunstseide (ETMA). 1935 wurde er als außerordentlicher und später ständiger Assistent am Labor für Allgemeine Chemie der AGSA eingestellt und behielt diesen Posten bis zur Abschaffung der AGSA durch das Metaxas-Regime. 1937 wurde er als Chemiker an das Institut für Wein und Trauben des Landwirtschaftsministeriums berufen. Im selben Jahr promovierte er zum Doktor der Physik und mathematischen Wissenschaften an der Universität Athen. Darüber hinaus behielt er den Posten des Chemikers und später des technischen Subdirektors der Aktiengesellschaft für Kunstseide (1928-1936).1944 kam er im Zuge einer Umsetzung an die AGSA und wurde im selben Jahr zum Dozenten der Allgemeinen Chemie berufen. 1951 wurde er zum ordentlichen Professor für Agrarindustrie berufen und schied 1968 wegen Erreichung der Altersgrenze aus. In den Jahren 1960-1961 und 1966-1967 amtierte zweimal als Rektor.
Erweiterte Reproduktion
Aus dem Vorangegangenen ergibt sich, dass vor allem jene, die aus entsprechenden Universitäten und Hochschulen (der Fakultät für Physik und Mathematik und dem Polytechnikum im vorliegenden Fall) kommen, während der Zwischenkriegszeit zur Fortbildung an technische Hochschulen in Deutschland gehen und zwar in Fächer wie Maschinenbau und Mineralogie, höhere Mathematik, aber auch besondere Fächer der Physik wie Geophysik, Seismologie oder systematische Botanik. Das Fach der systematischen Botanik betrifft unser Thema auch unter einem anderen Blickwinkel, da es verbunden ist mit den und ein Licht wirft auf die (einsetzenden) Mechanismen der internen Rekrutierung an der AGSA, die vor allem in der Nachkriegszeit an der Tagesordnung sind. Es handelt sich um den Fall von Spyridon Malakatis, der in Athen geboren wurde und an der Fakultät für Physik und Mathematik der Universität (Abteilung Naturwissenschaften) Athen studierte und 1909 dort sein Diplom erhielt. Malakatis ging mit einem staatlichen Stipendium zur Spezialisierung von 1922 bis 1924 nach Deutschland, an die Universität München, auf Anregung des Lehrstuhlinhabers für Botanik an der AGSA, Professor Nikolaos Montesantos, während er schon seit 1921 Assistent für landwirtschaftliche Phytopathologie an der AGSA war.32Sp. Malakatis war ebenfalls von 1917 bis 1922 Assistent am Labor für Zoologie der Universität Athen sowie auch Assistent des Physiklabors der Technischen Hochschule Athen von 1918 bi 1920. Die Begründung für die Unterstützung dieser Fortbildung ist von Interesse. Sie hilft uns, die Art und Weise der Gründung der wissenschaftlichen Fächer und Spezialisierungen zu jener Zeit in Griechenland zu verstehen. Konkret fordert Professor Montesantos die Fakultät auf, der Fortbildung von S. Malakatis zuzustimmen, „damit er sich in diesem Fach der Botanik bei dem Münchner Professor spezialisiert“, da er „einen sehr großen Mangel“ an entsprechenden Wissenschaftlern feststellt.33In seinem Antrag auf Gewährung einer Freistellung zur Fortbildung des Assistenten Sp. Malakatis, der sich in der Personalakte des letzteren befindet, betont er, dass „es bei uns einen sehr großen Mangel an Wissenschaftlern gibt, die sich mit der systematischen Botanik befassen“. Er räumt ein, dass es den alten Assistenten D. Dimadis gebe, dass jener aber wegen „zahlreicher Beschäftigungen […] aber vor allem wegen seines Alters nicht in der Lage sein wird, längere Zeit seine Dienste zu leisten“, und daher schlägt er vor, dass Malakates nach München geschickt wird, um sich zu spezialisieren (Historisches Archiv GPA, Personalakte Sp. Malakates, 10.12.1921). Bei seiner Rückkehr aus München wurde Malakatis 1927 an der Universität promoviert und im Mai 1929 zum Professor für Systematische Botanik an der AGSA berufen, kurz nachdem Montesantos die Hochschule verlassen hatte, da er zum Professor an der Agrar- und Forstwissenschaftlichen Fakultät der neugegründeten Universität Thessaloniki berufen worden war.34Ζunächst wurde er als außerplanmäßiger besoldeter Professor für drei Jahre berufen und als solcher 1933 wiederberufen. 1943 wurde er als ordentlicher Professor (, da er mehr als fünf Jahre außerplanmäßig war, wie seine Berufungsurkunde erwähnt) auf den Lehrstuhl für Systematische Botanik berufen, den er von der Wiedergründung der Hochschule bis zu seinem vorzeitigen Tod im Jahre 1950 innehatte.
Der folgende Fall des Periklis Kalaϊsakis betrifft den folgenden Zeitraum (1961-1982) und ist aus zwei Gründen bezeichnend: Zum einen, weil er die Tradition des Studiums in Deutschland in Fächern der Agronomie wie Viehzucht und Tiernahrung fortführt, zum zweiten, weil der Fall Kalaϊsakis beispielhaft die gerade analysierte Praxis der internen und erweiterten Reproduktion unter Beteiligung des Lehrkörpers belegt. Mit anderen Worten die Praxis, wonach die Hochschule die Spezialisierung von Wissenschaftlern im Ausland förderte und unterstützte, die ihrem eigenen Personal entstammten (Panagiotopoulos 2004, 147, 254-257). Das ist eine Initiative, die man in derselben Zeit auch in anderen Fächern findet. P. Kalaϊsakis ist ein weiteres Sinnbild der Nachkriegsgeneration von Agronomie-Professoren.35Kalaϊsakis wurde zunächst (1944) als Hilfskraft am Lehrstuhl für Viehzucht der AGSA eingestellt. 1949 Promotion an der AGSA und 1951 wissenschaftlicher Assistent im Labor für Viehzucht der AGSA. 1958 Dozent an der AGSA und von 1965-1986 Professor am Lehrstuhl für Theoretische und Angewandte Tiernahrung und Rektor (1975-1976). Bei der Umsetzung der Pläne zum Bau des Gebäudekomplexes für die Viehzucht auf dem Campus der Landwirtschaftlichen Universität Athen (GPA) hat er eine wichtige Rolle gespielt. Er wurde zum Professor für Theoretische und Angewandte Tiernahrung berufen, lehrte für eine lange Zeit (1965-1985) und setzte in gewisser Weise die starke Tradition fort, die Ioannis Dimakopoulos in diesem Fach etabliert hatte. Kalaϊsakis bildete sich im Fach Viehnahrung und Ernährungsphysiologie an den Universitäten Göttingen und Hohenheim von 1951-1956 fort. Diese Fortbildung könnte nach heutigen Gegebenheiten als Postdoc-Fortbildung bezeichnet werden, da er bereits 1949 an der AGSA promoviert wurde (während er sein Diplom schon zehn Jahre früher an der Agrar- und Forstwirtschaftlichen Fakultät der Universität Thessaloniki erhalten hatte). Seit 1951 war er auch Assistent an der AGSA. Bezeichnend ist auch der Fall des weiteren Wissenschaftlers, der in der Nachkriegszeit in einem Fach fortgebildet wurde, in dem man stets auf europäische und insbesondere deutsche Hochschulen „zurückgriff“. Es geht um Jeorjios Pasiokas, der 1953 sein Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Handel abschloss.36Sein Vater war Christos Pasiokas, der 1909 an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Neapel studierte, wo er auch promovierte. 1911 wurde er staatlicher Veterinär in Ioannina und anschließend (1915) in Attika und Böotien. 1918 wurde er Leiter des Veterinärmedizinischen Dienstes im Landwirtschaftsministerium und 1920 Abteilungsleiter und verblieb auf diesem Posten ca. zwanzig Jahre. 1920 wurde er auf den Lehrstuhl für Anatomie, Physiologie und Hygiene von Nutztieren sowie für Elementare Veterinärmedizin der AGSA berufen und verblieb auf diesem Posten bis 1958. Anschließend verfolgte er ein Postgraduiertenstudien an der Universität Tübingen und wurde 1957 an derselben Universität promoviert. Nach seiner Rückkehr nach Griechenland wurde er zum Dozenten am Lehrstuhl für Volkswirtschaft der Agrarwissenschaftlichen Hochschule Athen (AGSA) berufen und ein Jahr später zum Professor an denselben Lehrstuhl, den er erst mit seiner Emeritierung 1984 verließ.37Seine Dissertation hatte den Titel „Die Beschäftigungspolitik als Konjunkturpolitik“ seine Habilitationsschrift den Titel „Dynamisches Gleichgewicht und wirtschaftliche Schwankungen“. Der Fall Pasiokas zeigt einen normaleren und vorhersehbareren Prozess zur Bestellung eines Lehrstuhls, wobei hohe akademische Kriterien mit solchen der erweiterten Reproduktion kombiniert werden, die in hohem Maße die Auswahl des akademischen Personals an der AGSA zu jener Zeit kennzeichnet.38Schließlich sei auf den interessanten Fall des Professors für Geologie und Mineralogie Ilias Paraskevaϊdis hingewiesen, der in Griechenland und Frankreich studiert hatte und 1940 an der Universität München promoviert wurde und für einen kurzen Zeitraum (1965-1968) Professor an der AGSA war. Er folgte im Wesentlichen auf G. Voriadis, während auf ihn 1969 die erste Frau folgte, die einen Lehrstuhl an der AGSA besetzte, Elevtheria Davi, die in Athen, Genf und Zürich studiert hatte. J. Pasiokas’ Beispiel führt zu einer weiteren Feststellung. Die Promotion im Ausland wie etwa in Deutschland war ein komplexer und mühsamer Vorgang, der einen langjährigen Anwesenheit und Anpassung, aber auch eine größere Vertrautheit und Verbindung mit der wissenschaftlichen Gemeinde des Gastlandes voraussetzte. Darüber hinaus erforderte dies eine üppige oder zumindest ausreichende Finanzierung und gleichfalls beträchtliche, wenn nicht starke Bildungsvoraussetzungen. Aus all diesen Gründen war die Promotion an einer ausländischen Universität in der ersten Periode außergewöhnlich beschränkt. Dies umso mehr als selbst eine kurze und gewöhnlich finanzierte Erringung eines einfachen Diploms oder Postgraduiertentitels in einer Spezialisierung im Ausland eine notwendige, aber ausreichende Voraussetzung für eine erfolgreiche Karriere im Inland war.
Wie sich auch in den Tabellen 4 und 6 zeigt, zogen die Professoren (die mehrheitlich promoviert waren) – anders als bei der einfachen Postgraduierten-Spezialisierung – die griechischen Universitäten für die Promotion vor, im Wesentlichen die Universität Athen, die schon vor dem Krieg Promotionsurkunden ausstellte, und weniger die AGSA, die Promotionen erst nach 1949 durchführte. Dies scheint sich in der zweiten Periode (1961-1982) umzudrehen, allerdings zu Gunsten der angelsächsischen Universitäten und weniger der zentraleuropäischen und noch weniger der deutschen. Allgemein lässt sich feststellen, dass wer im ersten Zeitraum ausschließlich Agronomie (Agronomie oder Agraringenieurwesen) in einer anerkannten Landwirtschaftlichen Hochschule im Ausland studiert hatte, keine besonderen Postgraduiertenstudien verfolgte, da man direkt in die Produktion, in den Beamtenapparat oder die akademische Welt eintrat. Wer andererseits an einer griechischen Universität naturwissenschaftliche oder rechtswissenschaftliche Studien absolviert hatte oder Ingenieurwesen oder Maschinenbau am Polytechnikum, unternahm fast immer Postgraduiertenstudien im Ausland, insbesondere in Deutschland, oder promovierte in Griechenland oder machte in manchen Fällen beides. Im zweiten Zeitraum hingegen und beinahe unabhängig vom Fach lässt sich eine signifikante Zunahme von Postgraduiertenspezialisierungen beobachten. Die Tendenz zur Spezialisierung im Ausland, selbst nach Promotion an einer griechischen Universität, schlägt in bemerkenswerter Weise um. Das muss mit einer allgemeineren Feststellung kombiniert werden, nämlich der Abnahme des Grundstudiums an ausländischen Hochschulen und der Präferenz für Fortbildungsstudien an denselben. Diese Tatsache zeigt den Beginn einer fruchtbareren und ständigen Zusammenarbeit mit der universitären Gemeinschaft im Ausland, was allmählich zur kontinuierlichen Übernahme neuer wissenschaftlicher Fakten, zur Erweiterung der Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung, aber auch zur Anhebung des Studienniveaus im Inland führte. In dieser Hinsicht ist es kein Zufall, dass die Anzahl der Professoren zunahm, die beides vorweisen konnten (Postgraduiertenspezialisierung und Promotion).39Zwei Professoren dieser Periode haben sogar zweimal promoviert. Der Professor für Vergleichende Landwirtschaft und landwirtschaftliche Anwendungen Alexandros Fardis (in den 1940er Jahren in Frankreich), sowie die erste Frau, die auf die höchste akademische Stufe als Professorin für Mineralogie und Geologie berufen wurde, Elevtheria Davi (Universität Athen 1950 und Universität Zürich 1955).
Tabelle 6: PROFESSOREN AN DER AGSA MIT PROMOTION
Quelle: Archiv GPA Datenbasis – Biografien von Professoren
Es sind folglich zwei Elemente, welche die Professoren auszeichnen, die nach 1950 an die Hochschule kommen, und die sich auf die Gesamtheit der Professoren der Zeit nach 1960 auswirken: a) eine höhere Postgraduiertenausbildung, was einhergeht mit einem breiteren Kontakt mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft im Ausland und mit Vertrautheit mit Fragestellungen, die im weiteren Sinne ihr wissenschaftliches Fach beschäftigen und b) eine allmähliche Übernahme wissenschaftlicher Methoden und Themen, die sich an internationalen Vorbildern orientieren. Allgemein lässt sich beobachten, dass die Mobilität in Bezug auf die Postgraduiertenstudien der Professoren zunimmt mit dem Ergebnis, dass ein entwickeltes akademisches Vorbild gefördert wird und sich durchsetzt. Wir haben es mit einer ziemlich ungewöhnlichen „Überfortbildung“ zu tun, die anscheinend allmählich das Profil der Professoren selbst und der Hochschule ändert und sie von dem früheren Model entfernt, das heißt von der Abschneidung von der wissenschaftlichen Umgebung des Auslands, vom Transfer der wissenschaftlichen Daten ins Inland, wie sie sich zu einem bestimmten Moment darstellen, und ihrer anschließenden Anpassung an die griechische Realität. Die Professoren konzentrieren sich darauf, die drängenden Probleme im Inland zu lösen, die vor allem in der Zwischenkriegszeit groß und kritisch sind (Agrarreform, Entschädigung der Einheimischen und der Flüchtlinge, Steigerung der Produktion, Bekämpfung von Krankheiten usw.) und widmen ihnen den größten Teil ihrer Aktivität und ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Die größere Hinwendung zur wissenschaftliche Arbeit und Forschung, die man in der zweiten Periode beobachtet, hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Physiognomie der Hochschule. Den größten Verlust durch die Änderungen in der Nachkriegszeit verzeichnen sicher die deutschen Universitäten und die Institutionen der agronomischen und sonstigen Forschung.
Schlussfolgerungen
Wir stellen fest, dass die deutschsprachigen Universitäten in der ersten Periode (1920-1960) ein ständiger Anziehungspol für Studenten von hochrangigen Studien, insbesondere von Postgraduiertenprogrammen, sind, während sich diese Tendenz während der zweiten Periode (1961-1982) abschwächt und fast zum Stillstand kommt. Diese Präferenz ist dem unwiderstehlichen Reiz geschuldet, den dieses Land, vor allem in der Zwischenkriegszeit, in gewissen Fächern ausübt, die vom klassischen Vorbild des Agronomen mit pflanzlicher Ausrichtung geprägt sind, das besonders in französischen Hochschulen, Einrichtungen und Instituten, selbst noch in den Nachkriegsjahren gepflegt wurde. Deutschland scheint Wissenschaftler anzuziehen, die technische und technologische Fächer, aber auch wirtschaftliche und juristische sowie Fächer der Viehzucht studieren und sich in ihnen spezialisieren wollen. Diese Tendenz zeigt sich auch in den Beziehungen und Kontakten, die sie mit diesem Sektor aufrechterhalten, auch nach ihrer Berufung an die AGSA, z.B. durch ihre Teilnahme an Konferenzen usw. Dies zeigt sich auch an der Einrichtung von Laboren und an deren Ausrüstung, wie man bei einer ersten Beschreibung der Sammlungen wissenschaftlichen Gerätschaften und Handbücher entdecken kann,40Vgl. Datenbasis der Sammlungen des Agrarmuseums der GPA (http://sylloges.mouseio.aua.gr/). was allerdings weiterer Erforschung und Bearbeitung bedarf.41Zur Feststellung, ob und inwieweit zum Beispiel diese Änderungen weitere Auswirkungen des berühmten, auch im Griechenland des fortgeschrittenen 20. Jahrhunderts nicht selbstverständlichen Humboldt’schen Prinzips der Einheit von Forschung und Lehre widerspiegeln, oder inwieweit diese Erfahrung die Einführung von Modernisierungen beeinflusste, die an deutschen Universitäten selbstverständlich waren wie das Erfordernis einer schriftlichen Dissertation, das Seminarsystem usw. vgl. Clark, 2006. In der Nachkriegszeit nimmt diese Präferenz dramatisch ab. In dieser Periode vollzieht sich eine Erneuerung der Professorenschaft, die durch einen unmittelbareren und fruchtbareren Kontakt mit ausländischen Institutionen, vorzugsweise mit solchen des angelsächsischen Raums verbunden ist. Dieser Wechsel zeichnet sich ab und vollzieht sich in der ersten Nachkriegsperiode und noch rascher in den 1960er Jahren nach der allmählichen Emeritierung der Professoren der Vorkriegsgeneration.42Bis 1961 scheiden 16 von den Professoren aus, die vor 1937 berufen worden waren; nur zwei davon bleiben bis in die 1960er Jahre; 1968 scheidet der letzte von ihnen aus. Die neue Generation der Lehrenden verfügt ebenfalls über eine bemerkenswerte Labor- und Forschungserfahrung. Die personelle Erneuerung, die sich unter dem Einfluss und der Leitung der älteren oder der übrig gebliebenen Professoren vollzieht, ist langsam, aber beständig und ist verbunden mit dem Widerstand, den letztere gegen diesen Wechsel leisten. Auf jeden Fall vollzieht er sich fast ohne deutsche Universitäten, deren Einfluss und Einwirkung in der Nachkriegsperiode abzunehmen und in gewissen Bereichen zum Stillstand zu kommen scheint.