Die Essays des Compendiums gliedern sich in Mikrogeschichten (narrative Detailuntersuchungen und Fallanalysen), Makrovorgänge (Praktiken und Netzwerke, Policies und Strukturen), Metanarrative (Konzepte, Deutungsmodelle, Stereotype) und Präsentationen (etwa Projektvorhaben bzw. Rezensionen).
Die enzyklopädischen Artikel liefern Kurzporträts von Personen, Institutionen, Medien, Objekten und Orten der deutsch-griechischen Verflechtungen.
In den Dossiers werden ausgewählte Essays und Artikel so zusammengebracht, dass sie eine kompakte Übersicht über bestimmte thematischen Schwerpunkte geben.
Neue Essays
Heideggers philosophischer Philhellenismus
Heideggers lebenslange Beschäftigung mit der griechischen Philosophie wird durch die Auffassung geleitet, dass unser Selbstverständnis nur als Verständnis der Anfänge jenes Weges möglich ist, an dessen Ende wir stehen. Seine selektive, oft gewaltsame Interpretation von Texten der griechischen Antike enthält, trotz aller Exzentrizität, einen reichen Schatz von hermeneutischen Einblicken, die auch für die heutige Forschung wertvoll werden können. Heideggers Philhellenismus ist dabei deswegen so radikal, weil er vor allem ein germanophiler Philhellenismus bleibt: Er enthält die Selbstversicherung, dass es allein die Deutschen sind, die die Eigenart des griechischen ersten Anfangs der Philosophie verstehen und wiederholen können; er dient somit zugleich einer Selbstpositionierung und soll vorwiegend, ausdrücklich oder nicht, das eigene Selbstverständnis fördern.
Architektur und Politik: die Rolle des Architekten Ioannis Despotopoulos (Jan Despo) bei der Vertiefung der deutsch-griechischen Beziehungen in den 1960er Jahren
Der Essay untersucht anhand von drei Beispielen den Beitrag des Architekten Ioannis Despotopoulos zur Vertiefung der deutsch-griechischen Beziehungen in den 1960er Jahren. Diese sind: Seine Vermittlung zur Einladung des deutschen Stadtplaners Werner Hebebrand nach Griechenland zur Erstellung des Regulierungsplans für den Großraum Athen 1960-1962, sein Vortrag mit dem Titel „Die ideologische Prägung der Städte“ in der Akademie der Künste Berlin West im Jahr 1966 und die Realisierung der ordentlichen Mitgliederversammlung der Akademie der Künste Berlin West 1967 in Athen. Diese Beispiele verdeutlichen, wie Despo durch seine Mikrogeschichte optimale Bedingungen für einen bilateralen und gegenseitigen Austausch zwischen den Architektengemeinschaften der beiden Länder schaffen konnte.
Übersetzung aus dem Griechischen: Athanassios Tsingas
Ein Lektorat für „Rechenschaft vor El Greco“. Der Verleger Walter Kahnert als re(di)gierender Leser von Nikos Kazantzakis
Die Produktion der deutschen Übersetzungen von Nikos Kazantzakis involvierte weit mehr Akteur*innen in den Übersetzungsprozess als den Autor (oder dessen Rechtevertreterin) und dessen Übersetzer*innen. Die vorliegende Mikrogeschichte nimmt am Beispiel des Lektorats der deutschen Übersetzung von Rechenschaft vor El Greco die deutsch-griechischen Synergien und Auseinandersetzungen in den Blick, welche dafür gesorgt haben, dass Kazantzakis’ romanhafte Autofiktion in der BRD in zwei Bänden und mit zeitlichem Abstand voneinander veröffentlicht wurde. Während des Produktionsvorgangs der Übersetzung dieses posthumen (und vom Autor nicht fertiggestellten) Romans wurde nicht nur das Textbild zwischen den Akteur*innen neu verhandelt, sondern setzte der ‚Verleger-Lektor‘ Walter Kahnert sich auch sichtbar dafür ein, die editoriale Rahmung des Autors Kazantzakis, die seit 1951 dessen öffentliches Ansehen sowie die stilistische und ideologische Signatur seiner Romane im deutschsprachigen Raum mitgeprägt hatte, aufrechtzuerhalten. Wie der Fall von Freiheit oder Tod beispielhaft zeigt, ging die Bedeutung solcher Bemühungen und Auseinandersetzungen, Gesten und Verflechtungen in einem deutsch-griechischen Zusammenhang oftmals deutlich über die lokale Produktion der jeweiligen deutschen Übersetzung hinaus, denn nicht selten fungierte eine deutsche Ausgabe als Grundlage für weitere Relais-Übersetzungen in andere (primär germanische) Sprachen.
Neue Artikel
Alexander Clarus Heinze
Alexander Clarus Heinze (1806–1856) war ein deutscher Militärangehöriger und Politiker, der im Königreich Griechenland bis 1843 in verschiedenen militärischen Funktionen tätig war und spätGeorg Walther Heyer
Georg Walther Heyer (1924–1991) war ein deutscher Schriftsteller und Rundfunkredakteur, der sich als Übersetzer an der 1973 von Danae Coulmas herausgegebenen Anthologie Die Exekution des Mythos betTheodor Kind
Theodor Kind (1799–1868) war ein Leipziger Philhellene, Literatur-, Sprach- und Kulturvermittler. Der studierte Jurist war seit 1824 als Anwalt, seit 1835 an der Juristischen Fakultät der UnNeue Dossiers
Die deutsch-griechischen Verflechtungen zur Zeit König Ottos
In keiner Phase der jüngeren und jüngsten Geschichte Griechenlands hat die Einführung staatlicher Institutionen zu einer vergleichbaren gesellschaftlichen und kulturellen Transformation beigetragen wie in den drei Jahrzehnten unter der Herrschaft von König Otto.
Die deutschen Philhellenismen
Das Dossier umfasst verschiedene Felder der deutsch-griechischen Verflechtungen, die bislang für gewöhnlich unter dem einheitlichen Begriff des deutschen Philhellenismus (bzw. des Mishellenismus) subsummiert wurden. Den ersten Angelpunkt der Konferenz bildet die Neubewertung der Rezeptionen von 1821 in den deutschsprachigen Ländern und die Mobilisierung, die sie in Verbindung mit den politischen Bewegungen nördlich der Alpen hervorriefen. In diesen Bewegungen waren freilich von vornherein eine politische und eine kulturelle Komponente miteinander verflochten, die politische Bewegung des Philhellenismus und die aus der einschlägigen Literatur bekannte „Tyrannei Griechenlands über Deutschland“. Selbstverständlich darf die Rolle der griechischen Gemeinden des deutschsprachigen Raumes in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden. Den zweiten Angelpunkt bildet die Untersuchung der Transformationen, die diese politisch-kulturelle Verflechtung in den 200 Jahren nach dem Ausbruch der Griechischen Revolution erfuhr.
Deutsch-griechische Verflechtungen vom Deutschen Kaiserreich bis zum Einmarsch der Wehrmacht in Griechenland
Die Sehnsucht der gebildeten Deutschen nach dem, was sie als die Wiege ihrer persönlichen und gesellschaftlichen Identität ansahen, blieb auch in diesen Jahren unvermindert, während sich die Griechen, die auf dem Wege der Bildung zu gesellschaftlicher Reputation gelangen wollten, hauptsächlich (wenn auch nicht ausschließlich) durch die Augen der Deutschen sahen.