Karl Krazeisen (1794–1878) war ein deutscher General aus Kastellaun in der Pfalz, dessen Zeichnungen griechischer Freiheitskämpfer zu den bedeutendsten visuellen Zeugnissen des griechischen Unabhängigkeitskrieges zählen.
Krazeisen erhielt seine militärische Ausbildung als Kadett der bayerischen Armee in München. In den Befreiungskriegen gegen Napoleon kämpfte er 1813 bis 1814 als Unterleutnant und 1815 als Oberleutnant (Kraus, 2011, 5). Nach Kriegsende bildete er sich weitgehend autodidaktisch künstlerisch aus, indem er zahlreiche Aquarelle und Zeichnungen von Landschaften, Porträts und vor allem Uniformen schuf. 1817 schrieb er sich zudem in die Historienklasse der Münchener Akademie ein (Brauksiepe u. Neugebauer, 1986, 129).
In den Jahren 1826–1827 erlebte Krazeisen den griechischen Unabhängigkeitskrieg als Oberleutnant des von Major Karl von Heideck (1788–1861) angeführten Freiwilligenheeres, das Ludwig I. von Bayern entsandt hatte. Krazeisen porträtierte währenddessen zahlreiche Kriegsprotagonisten und zeichnete und aquarellierte Genreszenen, Kostüm- und Landschaftsstudien. Die Porträtzeichnungen enthalten auch den Namen des Porträtierten sowie das Anfertigungsdatum. Besondere Legitimation erhalten sie durch die eigenhändige Signatur jedes der Dargestellten.
21 dieser Porträts erschienen von 1828 bis 1831 als Lithographien in der Publikation Bildnisse ausgezeichneter Griechen und Philhellenen in München. Die Publikation gliedert sich in sieben Hefte, die jeweils drei Porträts und je eine sogenannte Ansicht enthalten. Dies sind freiere Bearbeitungen nach Krazeisens Zeichnungen in Form griechischer Landschaften, Genre- oder Kriegsszenen.
Die Porträts zeigen 15 griechische, zwei französische, zwei deutsche und zwei britische Kämpfer und Unterstützer des griechischen Freiheitskampfes. Krazeisen verfasste Beschreibungen zu allen Bildern, die zweispaltig in deutscher und französischer Sprache gesetzt sind. Die Protagonisten werden in diesen unterschiedlich langen Texten einzeln biographisch vorgestellt und ihr jeweiliges Alter bzw. das Alter zum Todeszeitpunkt angegeben. Die Beschreibungen zu den „Ansichten“ erläutern militärische Zusammenhänge und geographische Gegebenheiten.
Die eigenhändigen Unterschriften der Porträtierten wurden mit abgedruckt und die Lithographien folgen den Zeichnungen recht genau. Während Krazeisen jeweils die Gesichter so detailliert wie möglich einzufangen suchte, hat er die Oberkörper mit der jeweiligen charakteristischen Tracht bzw. Uniform oft nur angedeutet. Die Lithographien führen diese hingegen mit großer Detailgenauigkeit aus. Es werden sowohl die unterschiedlichen Stofflichkeiten von textilen Kleidungsstücken, Borten, Kordeln, Metallknöpfen oder Waffen naturalistisch geschildert als auch eine gewisse Lebensnähe suggeriert. Dies geschieht beispielsweise durch unregelmäßig geschlossene Knopfleisten.
Auffällig ist das Prädikat „nach der Natur gezeichnet“, mit welchem jede Lithographie in den Bildnissen untertitelt ist. Dies sollte wohl Authentizität garantieren, sagt aber nichts darüber aus, in welchem zeitlichen Verhältnis Begegnung und Zeichnung standen und inwiefern Krazeisen die Gesichtszüge idealisierte. Die Ansichten sind ebenfalls „nach der Natur gezeichnet“, zwei von ihnen jedoch stark dramatisiert. Die Maler Peter von Hess (1792–1871) und Joseph Steingrübel (1804–1838) entwarfen die Lithographien Ein Kapitaen mit seinen Pallikaren im Gefechte und Die Fregatte Hellas und das Dampfschiff Karteria auf der Grundlage von Krazeisens Zeichnungen.
Für Zar Nikolaus I. fertigte Krazeisen im Zuge der bayerischen Militärexpedition nach Griechenland 1826 und 1827 zehn kolorierte Zeichnungen mit griechischen Truppengattungen sowie sechs Aquarelle mit Kampfszenen an (vgl. Baumstark 1999, 226).
Die Bildnisse waren äußerst populär und Krazeisen fand als Person ebenfalls Eingang in den philhellenischen Heldenkult. So zeigte ihn beispielsweise Theodoros Vryzakis (1819–1878) in seinem 1855 entstandenen Gemälde Das Lager von Karaïskakis am linken Bildrand in blauer Offiziersuniform mit rotem Fes.
Für die Erinnerung an die griechischen Freiheitskämpfer ist die Bedeutung Krazeisens außerordentlich groß, da viele seiner Porträtdarstellungen Alleinstellungscharakter haben. In diesem Zusammenhang kann ein Vergleich mit der Publikation The Greeks. Twenty-four Portraits of the principal Leaders and Personages who have made themselves most conspicuous in the Greek Revolution gezogen werden, die eine sehr ähnliche Arbeit darstellt. Sie wurde von dem Dänen Adam Friedel (1780 – n. d.), der ebenfalls am griechischen Unabhängigkeitskrieg teilgenommen hatte, in vier Heften englischer und französischer Sprache zwischen 1826 und 1832 in Paris und London herausgegeben (vgl. St. Clair, 2008, 89). Enthalten sind 24 Porträts, jedoch wurden mehrheitlich andere Persönlichkeiten als bei Krazeisen dargestellt, mit Laskarina Bouboulina (1771–1825) und Manto Mavrogenous (1796–1848) auch zwei weibliche.
Im 20. Jahrhundert erschienen Neuauflagen der Bildnisse als Gesamtausgaben. Pictorial Records of 1821, herausgegeben von J. Meletopoulus, erschien 1971 in Athen mit englischer Übersetzung und enthält außer der Karte Die Umgebungen von Athen alle Bilder und Texte des Originals. Die Reproduktion Προσωπογραφίες Ελλήνων και φιλελλήνων αγωνιστών (Lebensbilder griechischer und philhellenischer Freiheitskämpfer) von 1980 in griechischer, deutscher und französischer Sprache beinhaltet sämtliche Bilder, verzichtet aber auf die Begleittexte.
Krazeisens originale Zeichnungen sowie einige Aquarelle befinden sich heute in der Nationalpinakothek Athen.
Notiz: Der vorliegende Artikel ist im Rahmen des von Prof. Dr. Eleonora Vratskidou geleiteten Forschungsseminars Kulturtransfer: Deutsche Künstler in Griechenland entstanden, das im Sommersemester 2019 am Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik der Technischen Universität Berlin durchgeführt wurde.