Ludwig Lange (1808–1868) war ein Architekt, Architekturtheoretiker und Landschaftszeichner. Als Reisebegleiter des Landschaftsmalers Carl Rottmann (1797–1850) reiste er 1834 nach Griechenland, wo er sich bis 1838 aufhielt. Neben der Anfertigung von Zeichnungen und Bauplänen übernahm er 1835 in Athen eine Stelle als Zeichenlehrer am neu gegründeten königlichen Gymnasium. Die Zeugnisse seiner Griechenlanderfahrung geben Aufschluss über den Zustand des damaligen Griechenland und dessen Wahrnehmung durch europäische Intellektuelle (vgl. Bleyl, 1983, 188f., 192).
Die Person Ludwig Lange und sein Schaffen sind bis heute nicht wissenschaftlich aufgearbeitet worden. Seinerzeit galt er als angesehener Architekt, jedoch wurden wenige seiner Entwürfe ausgeführt und nur ein Bruchteil seiner Bauwerke ist erhalten geblieben. Von 1847 bis 1868 war er als Professor für Baukunst an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in München tätig. Neben seinen Zeichnungen hinterließ er auch theoretische Schriften. Bekannt ist außerdem, dass er in seiner Heimatstadt Darmstadt bei Lerch und Moller zum Architekten ausgebildet wurde, bevor er zum Studium an die Universität Gießen ging (vgl. Nerdinger, 1982, 567). Als er 1830 nach München zog, freundete er sich dort mit dem elf Jahre älteren Carl Rottmann an, der ihn malerisch ausbildete und ihn 1834 als Reisebegleitung für seine Griechenlandreise, auswählte.
Am 4. August 1834 brachen die beiden Künstler auf. Die Aufgabe Rottmanns war es, im Auftrag von Ludwig I. innerhalb von 12 Monaten Studien für 38 Wandgemälde von wichtigen historischen Stätten anzufertigen (vgl. Lange, 1854, 7). Mit seiner architekturzeichnerischen Expertise konnte Lange Rottmann dabei beratend zur Seite stehen (vgl. Nerdinger, 1982, 567). Gleichzeitig könnte auch die schlechte Infrastruktur, die das unbegleitete Reisen erschwerte, ein Antrieb für Langes Teilnahme gewesen sein (vgl. Rott u. Poggendorf, 2007, 28). Anlässlich der Ausstellung von Rottmanns Griechenlandzyklus in der Neuen Pinakothek in München gab Lange 1854 ein Begleitwerk heraus, das gemeinsam mit Langes Reiseberichten aus Griechenland und den Briefen der beiden Reisenden ein Bild davon vermittelt, was Lange und Rottmann in Griechenland erlebten und wie sie die Erlebnisse wahrnahmen. Beide Maler waren mit Vorstellungen über die glorreichen kulturellen Erzeugnisse des antiken Griechenland aufgebrochen, die das europäische Denken im Rahmen der philhellenischen Bewegung damals prägten (vgl. Schnell, 2012, 304). Entgegen dieser Klischees hatte das zeitgenössische Griechenland massiv unter den Folgen des Krieges zu leiden und war von Zerstörung gezeichnet. Von den antiken Bauwerken war wenig übrig. Lange selbst schreibt über die Stadt Korinth: „Die Stadt, jetzt nur ein Trümmerhaufen mit wenigen Häusern am Fuße des Berges, hat sich in ihrer Blüthezeit bis zum Meere hin erstreckt, doch sind die Spuren fast völlig verschwunden“ (Lange, 1854, 16).
Während Rottmanns Griechenlandzyklus mittels der Naturdarstellung die widerstreitenden Erfahrungen des antiken und zeitgenössischen Griechenland verarbeitet, fertigt Ludwig Lange in seiner Rolle als Assistent sachliche und realitätsnahe Darstellungen an (vgl. Oldenbourg, 1922, 240; Bleyl, 1983, 189). Neben sehr genauen Architekturzeichnungen (vgl. Friedrich, 2015, 21, 168) finden sich jedoch auch Aquarelle, die das Leben in Griechenland darstellen. In Athen von 1836 (Staatliche Graphische Sammlung, München) gibt Lange topographisch genau die nordwestliche Ansicht der Stadt wieder (vgl. Bleyl, 1983, 186, 190f.). Er rückt die neuzeitliche Siedlung nicht, wie Rottmann in seinem Bild Athen (1843/45), in den Hintergrund, sondern bildet sie ebenso realitätsgetreu ab wie die antiken Überreste. Auch das alltägliche Leben findet Eingang in das Bild: Im Vordergrund nehmen zwei Griechen mit beladenen Kamelen einen zentralen Platz ein und ein galoppierendes Pferd mit Reiter zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Ein solches Interesse an „genrehafter Alltäglichkeit“ (Bleyl, 1983, 190) lässt sich in vielen Bildern der Athener Zeit beobachten.
Nach der Abreise Rottmanns 1835 blieb Lange weitere drei Jahre in Griechenland und übernahm eine Lehrtätigkeit als Zeichenlehrer am Athener Gymnasium, für das er auch den Bauplan anfertigte (vgl. Holland, 1883, 647). Dieser und weitere Entwürfe für die Erlöserkirche verschafften ihm den Rang eines griechischen Baurats (vgl. Holland, 1883, 647). Der damalige Stadtarchitekt Friedrich Stauffert (1844, 17) schwärmt von Langes Entwürfen zur Erlöserkirche im byzantischen Stil und bedauert die hohen Kosten, die dem Bau im Wege standen. Die Erlöserkirche sollte als Andenken der Befreiungskriege geschaffen werden, wurde jedoch nie realisiert. Mit dem archäologischen Museum konnte Lange 1860 schließlich doch noch ein bleibendes Bauwerk in Athen verwirklichen, das bis heute steht (vgl. Holland, 1883, 647).
Notiz: Der vorliegende Artikel ist im Rahmen des von Prof. Dr. Eleonora Vratskidou geleiteten Forschungsseminars Kulturtransfer: Deutsche Künstler in Griechenland entstanden, das im Sommersemester 2019 am Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik der Technischen Universität Berlin durchgeführt wurde.