Karl Lehmann

  • Veröffentlicht 17.08.22
27.09.1894,
  • Rostock
— 17.12.1960,
  • Basel
  • Archäologe
  • Universitätsprofessor

Karl Lehmann (1894-1960) war ein Klassischer Archäologe.

Lehmann wurde am 27. September 1894 in Rostock geboren. Sein gleichnamiger Vater (1858–1918) war als Juraprofessor an der Universität Rostock tätig, wo er mehrere Standardwerke verfasste. Seine Mutter, Henni Lehmann (1862-1937), war eine politisch und sozial engagierte Malerin und Schriftstellerin. Sie gründete 1922 den „Hiddenseer Künstlerinnenbund“. Beide Eltern kamen aus jüdischen Familien, die seit Jahrhunderten in Deutschland gelebt hatten, und traten nach ihrer Hochzeit zum Protestantismus über. Karl Lehmann und seine Schwester, die Etruskologin Eva Fiesel (1891-1937), waren ebenfalls Konvertiten.

Karl Lehmann begann 1913 das Studium der Klassischen Archäologie in Tübingen. Nach weiteren Stationen in München und Göttingen sowie einer kriegsbedingten Unterbrechung (u.a. in der Türkei), schrieb er sich 1918 an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin ein. Dort schloss er 1922 seine Dissertation über Die antiken Hafenanlagen des Mittelmeeres ab. Seit 1920 war er mit Elwine Hartleben verheiratet und trug bis zu seiner Scheidung im Jahr 1944 den Doppelnamen Lehmann-Hartleben.

In den Jahren 1922 und 1923 hielt sich Lehmann als Reisestipendiat des DAI in Rom und Athen auf. 1924 wurde er zum Assistenten des DAI in Rom ernannt. 1925 wählte ihn das DAI zum Korrespondierenden Mitglied (KM), 1932 zum Ordentlichen Mitglied (OM). Von 1925 bis 1929 war er am Heidelberger Lehrstuhl für Klassische Archäologie als Assistent tätig. 1929 wurde er als Ordinarius an die Universität Münster berufen, wo er insgesamt vier Jahre bis 1933 wirkte.

Durch das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentum“ fand seine Tätigkeit in Münster ein abruptes Ende. Am 07.04.1933 wurde Lehmann in den frühzeitigen Ruhestand versetzt. Er ging nach Rom, wo er sich unter schweren Bedingungen mit Unterricht und kleineren Forschungsvorhaben über Wasser halten konnte. Im Herbst 1935 konnte er schließlich mit seiner Familie in die USA auswandern, wo ihm eine Anstellung an der New York University angeboten worden war.

Amerika stellte für Lehmann eine Zäsur dar: beruflich und privat sollte der knapp 40jährige jetzt komplett neue Wege beschreiten. Während seines ersten Lebensabschnitts in Deutschland hatte er sich international einen Namen gemacht: Er galt als profilierter Kenner der griechischen und römischen Kunst. Zusätzlich hatte er bei der Erforschung von antiker Architektur und Siedlungsgeschichte wegweisende Akzente gesetzt. Seine neue Stelle als Professor am Institute of Fine Arts der New York University bot ihm nun schier ungeahnte Möglichkeiten. Erstmalig hatte Lehmann die Möglichkeit, auf der nordgriechischen Insel Samothrake ein vielversprechendes, relativ unerschlossenes Gebiet auszugraben und dieses unter seiner Leitung archäologisch auszuwerten und zu publizieren. 1938 begann er dort seine Tätigkeit als Ausgrabungsleiter und hatte zunächst zwei Ziele vor Augen: die Ausgrabung des Kabirenheiligtums („Heiligtum der Großen Götter“) und den Bau eines archäologischen Museums. In enger Zusammenarbeit mit seiner zukünftigen Ehefrau, der US-Amerikanerin Phyllis Williams (1912-2004), versuchte Lehmann zunächst Struktur und Ordnung in das Grabungsgelände zu bringen.

Der Zweite Weltkrieg und der griechische Bürgerkrieg führten zu einer achtjährigen Unterbrechung der amerikanischen Ausgrabungen auf Samothraki. Im Oktober 1944 hatte sich die deutsche Wehrmacht aus Griechenland zurückgezogen. Gleichzeitig war die bulgarische Besatzungszone, zu der Samothraki während des Krieges gehört hatte, aufgelöst worden. Erst seit 1948 fanden wieder regelmäßige Ausgrabungen auf der Insel statt. Anscheinend war Lehmanns Kontakt zur Bevölkerung in Griechenland nie ganz abgebrochen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war er jedenfalls gut über die Situation auf Samothrake unterrichtet. 1948 fasste er die Schäden der antiken Stätte in einem detaillierten Bericht zusammen. In den 1950er Jahren widmete er sich gemeinsam mit seiner Frau der Vorbereitung einer umfangreichen Samothraki-Publikation. Aufgrund seines Engagements für die Bevölkerung von Samothraki wurden ihm 1951 der griechische Phoenix-Orden (Τάγμα του Φοίνικος) und die Ehrenbürgerschaft von Samothraki verliehen.

Ein Sammelband zu Ehren von Karl Lehmann zeugt von dem intensiven Austausch und den langanhaltenden Freundschaften zu Forschern aus aller Welt, insbesondere zu denjenigen, die während der NS-Zeit als Emigranten in die USA gekommen waren, darunter viele Altertumswissenschaftler, Kunsthistoriker und Bauforscher (Sandler 1964). In seinem letzten Lebensjahrzehnt spielten „deutsche“ Archäologen in seinem Umfeld anscheinend keine große Rolle mehr. Kontakte zu Kollegen und Behörden in Griechenland müssen noch ergründet werden.

Verwendete Literatur

Zitierweise

Alexandra Kankeleit: «Karl Lehmann», in: Alexandros-Andreas Kyrtsis und Miltos Pechlivanos (Hg.), Compendium der deutsch-griechischen Verflechtungen, 17.08.22, URI : https://comdeg.eu/artikel/111731/.