Charles Ross

  • Veröffentlicht 16.11.20
18.11.1816,
  • Altekoppel in Ruhwinkel
— 05.02.1858,
  • München
  • Maler

Charles (eigtl.: Karl) Ross (1816–1858), ein Bruder des Archäologen Ludwig Ross (1806–1859) und vielgereister Landschaftsmaler aus Holstein, besichtigte zwischen 1837 und 1839 Griechenland und setzte die Eindrücke seines Aufenthalts anschließend zu Ideallandschaften mit historischem Charakter um. Das Motiv der griechischen Landschaft blieb bis zu seinem Tod Gegenstand seiner Kunst.

Geboren und aufgewachsen auf dem Hof Altekoppel im ländlichen Bornhöved, im heutigen Schleswig-Holstein, begann Ross im Frühjahr 1832, im Alter von 16 Jahren, eine Malerlehre in Kopenhagen und besuchte darüber hinaus die dortige Kunstakademie bei den Professoren Johann Lund und Christopher Wilhelm Eckersberg. (Vgl. Gramm-Lausen, 2000, 15f.) Der Einladung seines Bruders Ludwig folgend, der seit 1834 Konservator der Altertümer in Athen und ab 1837 erster Professor der klassischen Archäologie der neuen Athener Universität war, kam Charles Ross am 23. Oktober 1837 nach Athen (vgl. Papageorgiou-Venetas, 2006, 4).

Durch die Position und das Ansehen seines Bruders am Hof König Ottos I. stand auch Charles Ross während seines Aufenthalts in enger Beziehung zum Königshof und dessen internationalem Umfeld aus Gelehrten und Gesandten. Als Porträtmaler der Damen machte er sich am Hof Ottos I. einen Namen und malte unter anderem für die Königin, für die Frau des Gesandten Anton Prokesch (1795–1876), für Lady Cameron sowie für weitere Damen (vgl. Gramm-Lausen, 2000, 22).

An der neu entstanden Athener Schule für Zeichenkunst mit größtenteils internationaler Lehrerschaft wurde Charles Ross eine Stelle als Kunstlehrer angeboten. Ohne diese Stelle jedoch anzunehmen, vermutlich aus gesundheitlichen Gründen sowie infolge seines Anliegens, sich weiter künstlerisch in München und Rom fortzubilden, verließ er im Sommer 1839 Griechenland (vgl. Gramm-Lausen, 2000, 24).

Während seines Aufenthalts besichtigte Ross viele Orte Griechenlands wie zum Beispiel im März 1838 die Ebene von Marathon zusammen mit seinem Bruder Ludwig Ross. Im April 1838 besuchte er Chalkida, Delphi und Theben. Von Mai bis Juli 1839 erkundete er gemeinsam mit dem Grafen Adolf Friedrich von Schack (1815–1894), Landedelmann und Kunstförderer, die Peloponnes, wo sie Sparta, Messene und Nafplio besichtigten und versuchten, den Taygetos zu besteigen (vgl. Gramm-Lausen, 2000, 21; Haugsted, 1996, 213; Von Schack, 1889, 175f.). Besonders durch die Reisen mit seinem Bruder Ludwig und dem Grafen von Schack bekam der Griechenlandaufenthalt von Charles Ross den Charakter einer Bildungsreise. Fortan vermochte Ross die Landschaft als Träger von bedeutsamen historischen Ereignissen wahrzunehmen.

Charles Ross sah seine Vorstellung von Landschaftsmalerei auch in den populären historischen Landschaften aus Griechenland exponiert, die Karl Rottmann (1797-1850) im Auftrag des Königs Ludwig I. 1838–1850 in München ausführte (vgl. Gramm-Lausen, 2000, 26). Auch durch seine Studienreise nach Paris zwischen 1845 und 1846, bei der er sich vor allem mit alten Meistern wie Claude Lorraine (1600–1682) und Nicolas Poussin (1594– 1665) intensiv auseinandersetze, sah er seine Kunstauffassung, die Landschaft in eine idealisierte Form zu bringen, bestätigt (vgl. Gramm-Lausen, 2000, 43).

Im Laufe seines Lebens fertigte Charles Ross circa 20 Ölgemälde an, die eine idealisierte griechische Landschaft zum Thema hatten. Die Anzahl der Gemälde ist jedoch unter Vorbehalt zu betrachten, da einige seiner Werke auf Reisen zu Schaden kamen oder als verschollen gelten (vgl. Ross, 1838, 1). Die 1840er und 1850er Jahre waren besonders fruchtbar. In dieser Zeit entstanden unter anderem großformatige griechische Landschaftsgemälde. Zwei dieser Gemälde, Sparta (1846) und Bergwald auf Naxos (1854), wurden im Pariser Salon gezeigt (vgl. Gramm-Lausen, 2000, 64 u. Explication des ouvrages, 1846, 210). Bis auf wenige Ölgemälde, die in Griechenland vor Ort entstanden, basierte die Umsetzung der Gemälde weitestgehend auf den Zeichen- oder Aquarellstudien, die Ross auf seinen Reisen anlegte. Dabei lagen seinen idealisierten Darstellungen griechischer Natur teils nicht nur landestypische Landschaften, sondern auch Naturstudien seiner Romreise (1842–1843) zugrunde (vgl. Martius, 1960, 191f.).

Ross verstarb am 05. Februar 1858 mit 42 Jahren an Typhus und wurde in seiner Heimat auf dem Hof Altekoppel beigesetzt. Seine griechischen Ideallandschaften wurden neben seinen holsteinischen Waldlandschaften zum Hauptthema seines künstlerischen Schaffens. (Vgl. Thurmann, 2005, 268) Durch seine fortwährende künstlerische Auseinandersetzung mit dem Motiv Griechenland trug Ross zur Verbreitung eines idealisierten Griechenlandbildes bei. Die meisten seiner Gemälde befinden sich heute im Besitz der Kunsthalle Kiel und der Kunsthalle Hamburg.

 

Notiz: Der vorliegende Artikel ist im Rahmen des von Prof. Dr. Eleonora Vratskidou geleiteten Forschungsseminars Athen-München-Berlin: künstlerische Verflechtungen entstanden, das im Wintersemester 2019/2020 am Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik der Technischen Universität Berlin durchgeführt wurde.

Verwendete Literatur

Zitierweise

Luisa Ogorka: «Charles Ross», in: Alexandros-Andreas Kyrtsis und Miltos Pechlivanos (Hg.), Compendium der deutsch-griechischen Verflechtungen, 16.11.20, URI : https://comdeg.eu/artikel/100668/.