Peter Heinrich Lambert Hess (1792–1871, ab 1861 Ritter von Hess) war ein Maler aus Düsseldorf, der vor allem durch Historien- und Schlachtendarstellungen Ansehen erlangte. Die Herrschaft Ottos I. in Griechenland stellte er in zwei großformatigen Ölgemälden dar und realisierte für Ludwig I. von Bayern (1786-1868) im Münchner Hofgarten einen umfassenden Freskenzyklus über den griechischen Unabhängigkeitskrieg.
Hess wurde zunächst von seinem Vater, dem Kupferstecher Carl Ernst Christoph Hess (1755–1828) künstlerisch ausgebildet (vgl. Fastert, 1999, 306). Düsseldorf gehörte ab 1806 zum französischen Großherzogtum Berg. Die Familie Hess siedelte im selben Jahr nach München um, gleichzeitig mit der Verlegung der Düsseldorfer Akademie, an der Carl Hess Professor war (vgl. Holland, 1871, 212). In München studierte Hess ab 1809 das Fach Malerei an der Akademie der Bildenden Künste.
Die Befreiungskriege gegen Napoleon erlebte Hess als Kriegszeichner von 1813 und 1815 unter Carl Philipp von Wrede (1767–1838). In den Jahren nach 1815 konnte er mehrere königliche Aufträge für Historienbilder, vor allem Schlachtenbilder, ausführen. Ein Beispiel dafür ist das Gemälde Palikaren bei Athen von 1829. Hier zeigt Hess fünf Freischärler auf einem Gipfel rastend vor einem hohen Himmel mit aufgetürmten Wolken. Der Blick fällt im linken Bildteil auf die Landschaft mit der Akropolis in der Ferne. Das gleiche Motiv existiert in einer zweiten Version in der Athener Nationalpinakothek, trägt hier aber den Titel Kolokotronis und seine Männer. Die Gesichtszüge Theodoros Kolokotronis’ (1770– 1843) sind anhand von Karl Krazeisens 1828 veröffentlichtem Porträt wiedererkennbar (vgl. Krazeisen, 1931, 15). Hess setzte aus Krazeisens 6. Heft der Bildnisse ausgezeichneter Griechen und Philhellenen von 1829 auch eine Kampfszene als Lithographie um.
In den Jahren 1832 bis 1833 gehörte Hess, womöglich einen Malauftrag Ludwigs I. für die königliche Residenz antizipierend, zu König Ottos Reisegesellschaft nach Griechenland. Dabei besuchte er Nafplio (Nauplia), den Saronischen Golf, die Kykladeninseln und Teile der Peloponnes. Im Anschluss war er bis Anfang 1839 mit der Anfertigung mehrerer Gemälde mit griechischen Sujets beschäftigt.
Das Ölgemälde Einzug König Ottos von Griechenland in Nauplia entstand 1835 für König Ludwig I. und hing während der Münchner Akademieausstellung desselben Jahres in einem eigenen Raum, statt wie zunächst geplant in der Münchner Residenz (vgl. Schorn, 1835, 409; Schorn, 1836, 3; Baumstark, 1999, 356). Bis 1839 arbeitete Hess an dem von Otto I. bestellten Gemälde Empfang Ottos I. in Athen, welches als Pendant zu der Nauplia-Darstellung zu verstehen ist. Den beiden Bildern gemein ist die repräsentative Komposition, die Einbindung von Herrschaftssymbolen sowie die akribisch detaillierte Darstellung aller vertretenen Figuren. Dabei erscheinen die Landschaft sowie das Ereignis selbst stark idealisiert, was das Kunstverständnis Ludwig I. zum Ausdruck bringt (vgl. Restle, 1990, 83). Das aufgeräumte und strahlende Griechenland in diesen Gemälde entsprach nicht dem realen Zustand, sondern stand symbolhaft für den Neuanfang unter der bayerischen Herrschaft. Dennoch wurden die Bilder von den bayerischen Zeitgenossen auch für ihre historische Authentizität geschätzt, die Hess als Augenzeuge zu gewährleisten schien (vgl. Schorn, 1836, 3).
Ab 1832 bestand seitens Ludwigs I. der Plan, Szenen des griechischen Freiheitskampfes malen zu lassen. Sie sollten als Wandmalereien einen Saal der Münchner Residenz schmücken. Ab 1838 wurde stattdessen an der Umsetzung eines Griechenlandzyklus in den Arkaden des Münchner Hofgarten gearbeitet, was der Planung des Hofbauintendanten Leo von Klenze (1784–1864) entsprach. Peter von Hess sollte dafür Kampfszenen entwerfen, die jeweils einem Bild aus Carl Rottmanns (1797–1850) Zyklus griechischer Landschaften (begonnen 1838) an einer Arkadenwand zugeordnet werden sollten. Vermutlich ab 1840 begann von Hess mit der Arbeit. Zwischen 1841 und 1844 wurden seine Entwürfe in den nördlichen Hofarkaden ausgeführt. Als Basis für den Entwurf der Szenen dienten von Hess zahlreiche Studien von Landschaften, Gewändern sowie Porträts, die er auf seiner Griechenlandreise gemacht hatte. Die historischen Umstände entnahm er wohl der 1832 erschienenen History of the Greek Revolution von Thomas Gordon, die seit 1840 in deutscher Übersetzung vorlag und in dieser Fassung von Johann Wilhelm Zinkeisen bis zur Krönung Ottos I. 1833 weitergeschrieben worden war (vgl. Fastert, 1999, 307). Die vor allem in Bezug auf die militärischen Vorgänge detaillierten Schilderungen des Augenzeugen Gordon boten Hess eine große Auswahl möglicher Einzelszenen. Einige dieser Szenen sind ausschließlich durch Gordon überliefert und konnten bis zum Ende des 20. Jahrhunderts nicht zugeordnet werden, weshalb davon ausgegangen wurde, dass diese Szenen teilweise fiktiv seien (vgl. Fastert, 1999, 307).
Hess’ Zyklus umfasst 39 Bilder, die jedoch nur noch in Form der Kartons und der Ölskizzen erhalten sind, da die Münchner Hofarkaden selbst im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört wurden (vgl. Fastert, 1999, 306). Da sich die Fresken im verschatteten Wandelgang und zudem weit oben befinden sollten, wählte von Hess bei der Figurendarstellung die Untersicht und reduzierte die Detailtreue. Dennoch haben die dargestellten Personen Porträtcharakter und durch deutliche Größenstaffelungen sind die wesentlichen Elemente der Szenen leicht zu erfassen. Jedes Bild führt einen neuen griechischen Protagonisten ein (und mit Laskarina Bouboulina, 1771–1825, im zwölften Bild auch eine Protagonistin) und zeigt jeweils einen aus Sicht der griechischen Kämpfer wesentlichen Moment (vgl. Fastert, 1999, 307). Die Bildfelder zeigen kaum Landschaft, sondern sind stark auf die Figuren und den jeweils bestimmten Moment des Kriegsgeschehens fokussiert. Auffällig ist, dass keine ausländischen Unterstützer der Griechen gezeigt werden. Jedoch ist auf den letzten beiden Bildern die Ankunft des jungen Königs Otto zu sehen, wobei dessen Einsetzung als einvernehmlich mit den griechischen Siegern dargestellt wird.
Peter von Hess gilt als bedeutender Vertreter der „Münchner Schule“ und damit des zeitgenössischen akademischen Realismus. In seinen zeichnerischen Studien und auch in seinen Gemälden hielt er kein ahistorisch verklärtes Griechenlandbild fest. Sie haben dokumentarischen Charakter, stehen aber auch in der Tradition romantisch-idealisierender Griechenlanddarstellung. Zur Bekanntheit der Bilder trug nicht nur die öffentliche Ausstellung vieler Werke bei, sondern auch die Verbreitung in Form von Druckgrafiken. Eine Farblithographie des Gemäldes Einzug König Ottos in Nauplia erschien mit griechischem, französischen und deutschen Titel im Jahr 1836, während in den 1840er Jahren der gesamte Griechenlandzyklus lithographiert und, wie Fastert (Baumstark, 1999, 336) vermutet, noch vor 1850 publiziert wurde.
Peter von Hess war neben zahlreichen bayerischen Nationalauszeichnungen auch Träger des griechischen Erlöser-Ordens (vgl. Holland, 1871, 217).
Notiz: Der vorliegende Artikel ist im Rahmen des von Prof. Dr. Eleonora Vratskidou geleiteten Forschungsseminars Kulturtransfer: Deutsche Künstler in Griechenland entstanden, das im Sommersemester 2019 am Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik der Technischen Universität Berlin durchgeführt wurde.