Theodoros Vryzakis (1819–1878) war ein griechischer Maler aus Theben. Seine künstlerische Ausbildung erhielt er an der Akademie der Bildenden Künste München, unter anderem als Schüler von Peter von Hess (1792–1871). Seine Verarbeitung des Freiheitskampfes gilt als die ausführlichste unter den griechischen Malern (vgl. Baumstark, 1999, 304). Er ist aufgrund dessen sehr bedeutsam für die Rezeption des griechischen Unabhängigkeitskrieges und prägt dessen Vorstellung bis heute. Zugleich gilt er als wichtiger Vertreter des bayerisch-akademischen Realismus der sogenannten Münchner Schule (vgl. Cassimatis, 2008, S. 72).
Sein Vater Petros Vryzakis war ein griechischer Kaufmann und Freiheitskämpfer, der 1821 von den Osmanen hingerichtet wurde. 1832 wurde Vryzakis durch den Philologen Friedrich Thiersch (1784–1860) persönlich nach Bayern geschickt und konnte dort zunächst das Griechische Lyzeum besuchen. Damit nahm er am von König Ludwig I. initiierten Förderprogramm für begabte griechische Jugendliche teil, das sich vor allem auf Waisen des griechischen Unabhängigkeitskrieges bezog. 1844 nahm er sein Studium an der Münchener Akademie der Bildenden Künste auf (eine erste Einschreibung in die Matrikel ist schon für 1835 belegt, vgl. Bryzakis/Erstes Matrikelbuch) und erhielt bis 1855 ein Stipendium des Griechenvereins in München (vgl. Lydakis, 1971, 55). In den Jahren 1848 bis 1851 hielt er sich zu Studienzwecken in Griechenland auf und konnte anschließend in München sein eigenes Atelier eröffnen (vgl. Stephan-Kaissis, 2006, 86).
Vryzakis’ Œuvre umfasst hauptsächlich griechische Themen; dazu zählen Porträts, Genredarstellungen und Historienbilder. In letzteren verarbeitete er die jüngere griechische Geschichte. Dabei nehmen seine Werke in Bezug auf den griechischen Freiheitskampf eine historisierende Stellung ein, da Vryzakis selbst bereits zur Nachkriegsgeneration gehörte und seine Darstellungen an schon bestehende Schilderungen und bildnerische Werke anknüpfen. Einige griechische Kriegsveteranen konnte er persönlich porträtieren, wie beispielsweise Petrobeis Mavromichalis (1765–1848) oder Theodoros Kolokotronis (1770– 1843). In München lernte er mit Karl Krazeisen (1794– 1878) und Carl Wilhelm von Heideck (1788–1861) wichtige Zeitzeugen des griechischen Unabhängigkeitskrieges kennen.
Für seine Gemälde setzte sich Vryzakis unter anderem mit Krazeisens Publikation Bildnisse ausgezeichneter Griechen und Philhellenen von 1828 auseinander. Das Lager des Karaïskakis von 1855 enthält Porträts verschiedener Protagonisten, die sehr große Ähnlichkeit mit den Porträts Krazeisens aufweisen, teilweise bis hin zur Kopfneigung. Es lassen sich durch den Vergleich die Figuren auf der rechten Bildseite als Karaïskakis, Makryjannis, Tzavelas, Notaras, Gordon, Hastings sowie von Heideck identifizieren. Krazeisen selbst ist am linken Bildrand in blauer Offiziersuniform mit rotem Fes dargestellt (vgl. Baumstark, 1999, 302).
Mit dem Gemälde Der Auszug aus Messolongi (Η Έξοδος του Μεσολογγίου) von 1853 schuf Vryzakis ein allegorisches Historienbild. Das Thema der 1825–26 erfolgten Belagerung von Messolongi war schon 1826 von Eugène Delacroix sowie Denis Auguste Raffet gemalt worden, wodurch zu diesem Zeitpunkt die europäischen Mächte zur Unterstützung der Griechen aufgerufen werden sollten (vgl. Margaritis, 1998, 163).
Es wird die aussichtslose Unterlegenheit und das Leid der aus der belagerten Stadt ausziehenden Bevölkerung gezeigt, doch über dem Geschehen erscheint der segnende Christus. Darunter schweben Engel mit Palmenwedeln, Lorbeerkränzen und einem Schwert in den Händen. Damit würdigt Vryzakis zum einen den als heldenhaft wahrgenommenen Auszug aus Messolongi und dessen Opfer, zum anderen drückt er das Vertrauen in das dadurch erlangte Seelenheil aus. Das Bild wurde 1853 in der Wiener Internationalen Ausstellung gezeigt und von Ludwig I. für die Sammlung der Neuen Pinakothek gekauft (vgl. Baumstark, 1999, 300). Weitere Verbreitung fand es ab 1856 durch den lithographischen Druck (vgl. Baumstark, 1999, 300).
Das Gemälde Hellas und ihre Kinder (Η Ελλάς ευγνωμονούσα) von 1858 ist ein ebenso bedeutendes allegorisches Bild, in der die überlebensgroße Personifikation Griechenlands gleich einer schützenden Madonna über zahlreichen wiedererkennbaren Figuren des Unabhängigkeitskampfes schwebt.
Vryzakis’ Ausdrucksform war stark durch seine westliche Ausbildung geprägt, sie wird auch als akademischer Realismus bzw. romantischer Realismus bezeichnet. Damit sind die regelgerechte Kompositionsweise, detailgenaue Schilderung von Gesichtern, Waffen und Kostümen bei einer gleichzeitig idealisierten Darstellung und Stimmung gemeint (vgl. Cassimatis, 2008, 72). Diese Merkmale finden sich auch bei seinem ersten Professor Peter von Hess, mit dem Vryzakis auch über die Lehrbeziehung hinaus Kontakt pflegte (vgl. Stephan-Kaissis, 2006, 86).
Bis heute sind Vryzakis’ Darstellungen prägend für das griechische Nationalbewusstsein (vgl. Margaritis, 1998, 163) und dienen zur Illustration in Enzyklopädien oder Geschichtsbüchern. Er vermachte seine Werke der Akademie zu Athen, die sie später der Nationalpinakothek Athen spendete. Vryzakis starb 1878 in München und wurde auf dem dortigen Alten Südfriedhof beigesetzt.
Notiz: Der vorliegende Artikel ist im Rahmen des von Prof. Dr. Eleonora Vratskidou geleiteten Forschungsseminars Kulturtransfer: Deutsche Künstler in Griechenland entstanden, das im Sommersemester 2019 am Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik der Technischen Universität Berlin durchgeführt wurde.