Emanuel Geibel

17.10.1815, Lübeck - 06.04.1884, Lübeck

Lyriker, Übersetzer

Franz Emanuel August Geibel (1815–1882) war ein deutscher Lyriker und Übersetzer, dessen poetisches Frühwerk entscheidend durch einen Aufenthalt in der griechischen Hauptstadt Athen während der Jahre 1838–1840 geprägt wurde.

Zuvor hatte Geibel zwischen 1835 und 1837 in Bonn und Berlin Theologie, vor allem aber Klassische Philologie studiert. Sein Aufenthalt in Athen, wo er als Hauslehrer bei der Familie des russischen Gesandten tätig war, wurde ihm 1837 durch Bettina von Arnim unter Mithilfe Friedrich Carl von Savignys vermittelt. Die Zeit in Griechenland wird in biographischen Darstellungen üblicherweise als entscheidender Lebensabschnitt auf dem Weg zu Geibels späterer Dichterlaufbahn charakterisiert (vgl. die Dokumentensammlung im Deutschen Biographischen Archiv).

In Athen wurde Geibel von dem in München und Heidelberg ausgebildeten Juristen Emmanouil Kokkinos (1812–1879) im Neugriechischen unterrichtet. Während seiner Athener Zeit machte er u. a. die Bekanntschaft des Übersetzers Wolf Heinrich Graf von Baudissin (1789–1878), des Architekten Eduard von Schaubert (1804–1860), des Philologen Heinrich Nikolaus Ulrichs (1807–1843), des Archäologen Karl Otfried Müller (1797–1840) und des Malers Hermann Kretzschmer (1811–1890). Er traf aber auch mit seinem Jugendfreund Ernst Curtius (1814–1896) und seinem Bonner Professor Christian August Brandis (1790–1867) zusammen, die zu dieser Zeit ebenfalls eine Anstellung in Athen gefunden hatten. Gemeinsam mit Curtius unternahm Geibel ausgedehnte Reisen über das Festland und auf die Kykladen und machte sich tiefer mit der Geschichte und Kultur des Landes vertraut. Es war aber auch die Phase, in der er sich endgültig für seinen Dichterberuf entschied. Einen anschaulichen Einblick in die Gedanken- und Gefühlslage dieser Jahre geben Geibels 1909 von E. F. Fehling herausgegebene Jugendbriefe.

Nach der Rückkehr aus Griechenland erschienen 1840 die Klassischen Studien, in denen Geibel und sein Freund Ernst Curtius eine Auswahl altgriechischer Lyrik in eigenen Übersetzungen vorlegten. Der Gegenwartsbezug dieses Buches ergibt sich nicht nur aus der Widmung an die griechische Königin Amalie, sondern auch aus einem einleitenden Gedicht, in dem Geibel den Zusammenhang zwischen dem alten und dem neuen Griechenland hervorhebt.

Noch wichtiger ist der Band Gedichte, den Geibel im selben Jahr herausgab und der seinen Ruhm als Lyriker begründete. Auch dieser Band enthält deutliche Spuren seines Athener Aufenthalts: Die Gedichte des zweiten und dritten Buches, die zu einem Großteil in Griechenland entstanden sind, behandeln u. a. das Leben im Süden, die Athener Freunde, Reiseeindrücke und Reflexionen über die Stätten des klassischen Altertums, aber auch Geibels Vorstellungen über die Dichtung und das Dichterleben. Mit diesen Inhalten und ihrer klassizistischen Formgebung weisen die Athener Gedichte auf Geibels spätere Lyrik voraus. Daneben enthält der dritte Band der Gedichte auch einige Übersetzungen neugriechischer Volkslieder, die Geibel offenbar zu seiner eigenen Lyrik zu passen schienen (vgl. Buk, 1920 u. 1923).

Geibels Aufenthalt in Griechenland schlug sich auch in seiner späteren Dichtung nieder, so etwa in den “Erinnerungen aus Griechenland” des Bandes Gedichte und Gedenkblätter (1864), die auch ins Griechische übersetzt wurden (1867). Weitere Übersetzungen Geibels ins Griechische erschienen erst in den 1920er und 1930er Jahren, in denen der Ruhm des einstmaligen Erfolgsdichters in seiner deutschen Heimat bereits verblasste.

Verwendete Literatur

Γκάϊμπελ (Ποιήματα)
Emanuel Geibel (Autor*in), Αθανάσιος Μίχας (Übersetzer*in)
1916
Τραγούδια των γερμανών κλασσικών
Δημήτριος Ι Λάμψας (Übersetzer*in), Friedrich Schiller (Autor*in), Johann Wolfgang Goethe (Autor*in), Friedrich Hölderlin (Autor*in), Ludwig Uhland (Autor*in), Joseph von Eichendorff (Autor*in), August von Platen (Autor*in), Wilhelm Hauff (Autor*in), Heinrich Heine (Autor*in), Nikolaus Lenau (Autor*in), Eduard Mörike (Autor*in), Ernst Moritz Arndt (Autor*in), Adelbert von Chamisso (Autor*in), Justinus von Kerner (Autor*in), Friedrich Rückert (Autor*in), Ernst Schulze (Autor*in), Joseph Christian Frhr. von Zedlitz (Autor*in), Gustav Schwab (Autor*in), Wilhelm Müller (Autor*in), Karl Immermann (Autor*in), Abraham Emanuel Froelich (Autor*in), August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (Autor*in), Johann Gabriel Seidl (Autor*in), Robert Reinick (Autor*in), Anastasius Grün (Autor*in), Karl Dräxler (Autor*in), Friedrich von Sallet (Autor*in), Emanuel Geibel (Autor*in), Georg Herwegh (Autor*in), Karl Egon Ebert (Autor*in)
1933/34
Emmanuel Geibel und das Neugriechentum
Herrmann Buk (Autor*in)
1920
Klassische Studien
Emanuel Geibel (Übersetzer*in), Ernst Curtius (Übersetzer*in), Aischylos (Autor*in), Aristophanes (Autor*in), Archilochus (Autor*in), Sappho (Autor*in), Alcäus (Autor*in), Mimnermus (Autor*in), Stesichorus (Autor*in), Anakreon (Autor*in), Hipponar (Autor*in), Simonides (Autor*in), Pindar (Autor*in), Bakchylides (Autor*in), Ibykus (Autor*in), Panyasis (Autor*in), Moschos (Autor*in), Posidippus (Autor*in), Metrodorus (Autor*in), Volkspoesie (Autor*in)
1840
Η κόρη της Πάρου
Emanuel Geibel (Autor*in), Ι. Περβάνογλου (Übersetzer*in)
1884
Ο ποιητής Εμμανουήλ Geibel ως φιλέλλην
Aug. Bolz (Autor*in)
1884
E. Geibel und das neugriechische Volkslied
Hermann Buk (Autor*in)
1923
Franz Emanuel August Geibel
Karl Theodor Gaedertz (Autor*in), Iwan Müller (Herausgeber*in)
1884
Von Berlin nach Athen; In Griechenland
Karl Theodor Gaedertz (Autor*in)
1897
Erinnerungen aus Griechenland
Emanuel Geibel (Autor*in)
1864
Reise nach Griechenland; Griechenland
Emanuel Geibel (Autor*in), Emil F. Fehling (Herausgeber*in)
1909
Sonette und Distichen aus Griechenland als Intermezzo, 1839-1840; Athen, 1838-1840
Emanuel Geibel (Autor*in)
1848
Griechenland
Carl Leimbach (Autor*in)
1894
Neugriechische Volkslieder
Emanuel Geibel (Übersetzer*in), Volkslieder (Autor*in)
1848

Zitierweise

Marco Hillemann, »Emanuel Geibel«, in: Alexandros-Andreas Kyrtsis und Miltos Pechlivanos (Hg.), Compendium der deutsch-griechischen Verflechtungen, 08.09.2020, URI: https://comdeg.eu/compendium/artikel/94725/.

Metadaten

Artikeltyp Person
Index Emanuel Geibel
GND-Referenz Geibel, Emanuel (11853811X)
Verfasser*in Marco Hillemann
Siehe auch Emanuel Geibel (Biogramm)
Lizenz CC BY-NC-ND 4.0
Sprache Deutsch

Nachweise in der Bibliographie

Gehrke, Hans-Joachim: „Die Rolle der deutschen Archäologie in Griechenland“, in: Schultheiß, Wolfgang und Evangelos Chrysos (Hrsg.): Meilensteine deutsch-griechischer Beziehungen. Beiträge eines deutsch-griechischen Symposiums am 16. und 17. April 2010 in Athen, Athen: Stiftung für Parlamentarismus und Demokratie des Hellenischen Parlaments 2010, S. 119–126.
Hans-Joachim Gehrke (Autor*in), Wolfgang Schultheiß (Herausgeber*in), Evangelos Chrysos (Herausgeber*in)
2010
Reisinger, Ernst: Griechenland. Landschaften und Bauten. Schilderung deutscher Reisender, Leipzig: Insel 1916.
Ernst Reisinger (Autor*in)
1916
Veloudis, Georg: Germanograecia: deutsche Einflüsse auf die neugriechische Literatur (1750 - 1944), Amsterdam: Hakkert 1983 (Bochumer Studien zur neugriechischen und byzantinischen Philologie ; 4).
Georg Veloudis (Autor*in)
1983
Buk, Herrmann. “Emmanuel Geibel Und Das Neugriechentum.” Historisch-Politische Blätter Für Das Katholische Deutschland 166, no. 1–3 (1920): 19–29; 65–79; 151–58.
Herrmann Buk (Autor*in)
1920
Bolz, Aug. “Ο Ποιητής Εμμανουήλ Geibel Ως Φιλέλλην.” Έσπερος, no. 4 (1884): 148–50.
Aug. Bolz (Autor*in)
1884
Buk, Hermann (1923): E. Geibel und das neugriechische Volkslied. In: Byzantinisch-neugriechische Jahrbücher 4, S. 301–327.
Hermann Buk (Autor*in)
1923
Gaedertz, Karl Theodor: „Franz Emanuel August Geibel“, in: Müller, Iwan (Hrsg.): Biographisches Jahrbuch für Alterthumskunde, Bd. 7, Berlin: Calvary 1884, S. 166–172.
Karl Theodor Gaedertz (Autor*in), Iwan Müller (Herausgeber*in)
1884
Gaedertz, Karl Theodor: „Von Berlin nach Athen; In Griechenland“, Emanuel Geibel, Sänger der Liebe, Herold des Reiches. Ein deutsches Dichterleben, Leipzig: Wigand 1897.
Karl Theodor Gaedertz (Autor*in)
1897
Leimbach, Carl: „Griechenland“, Emanuel Geibels Leben, Werke und Bedeutung für das deutsche Volk, 2. Aufl., Wolfenbüttel: Zwißler 1894, S. 39–57.
Carl Leimbach (Autor*in)
1894
Geibel, Emanuel: „Γκάϊμπελ (Ποιήματα)“, in: Ο Νουμάς (1916), S. 105.
Emanuel Geibel (Autor*in), Αθανάσιος Μίχας (Übersetzer*in)
1916
Geibel, Emanuel: „Τετράστιχο“, in: Ο Νουμάς 20/774 (1923), S. 370.
Emanuel Geibel (Autor*in), Λέων Κουκούλας (Übersetzer*in)
1923
Schiller, Friedrich u. a.: Τραγούδια των γερμανών κλασσικών, übers. von. Δημήτριος Ι Λάμψας, Αθήνα: Κολλάρος 1933.
Friedrich Schiller (Autor*in), Johann Wolfgang Goethe (Autor*in), Friedrich Hölderlin (Autor*in), Ludwig Uhland (Autor*in), Joseph von Eichendorff (Autor*in), August von Platen (Autor*in), Wilhelm Hauff (Autor*in), Heinrich Heine (Autor*in), Nikolaus Lenau (Autor*in), Eduard Mörike (Autor*in), Ernst Moritz Arndt (Autor*in), Adelbert von Chamisso (Autor*in), Justinus von Kerner (Autor*in), Friedrich Rückert (Autor*in), Ernst Schulze (Autor*in), Joseph Christian Frhr. von Zedlitz (Autor*in), Gustav Schwab (Autor*in), Wilhelm Müller (Autor*in), Karl Immermann (Autor*in), Abraham Emanuel Froelich (Autor*in), August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (Autor*in), Johann Gabriel Seidl (Autor*in), Robert Reinick (Autor*in), Anastasius Grün (Autor*in), Karl Dräxler (Autor*in), Friedrich von Sallet (Autor*in), Emanuel Geibel (Autor*in), Georg Herwegh (Autor*in), Karl Egon Ebert (Autor*in), Δημήτριος Ι Λάμψας (Übersetzer*in)
1933/34
Geibel, Emanuel. “Η Κόρη Της Πάρου.” Translated by Ι. Περβάνογλου. Έσπερος, no. 4 (1884): 231.
Emanuel Geibel (Autor*in), Ι. Περβάνογλου (Übersetzer*in)
1884

Beteiligte Institutionen


Gefördert durch

Technische Umsetzung